■ Kommentar: Zwischen Party und Politik
„Widerstand kann auch Spaß machen“, forderten bereits in den achtziger Jahren jene – zumeist in der Minderheit sich befindenden – Politaktivisten, denen die protestantische Ethik der meisten Protestierer zu lustfeindlich war. „Spaß kann auch Widerstand machen“, skandierten am Samstag die Partygäste am Alex, die sich mit Musik, Tanz und Unterhaltung die Straßen als Freiraum zurückerobern wollten. Zwischen beiden Parolen liegt nicht nur eine neue Generation der Protestierer, sondern auch der Protestformen.
Bereits im Zusammenhang mit den „Innenstadtaktionstagen“, mit denen im vergangenen Juli gegen „Privatisierung, Ausgrenzung und Sicherheitswahn“ demonstriert wurde, war die Spontananeignung des im Verschwinden begriffenen öffentlichen Raums in Berlin aus der Taufe gehoben worden. Dreihundert tanzende Raver in einer Schalterhalle der Sparkasse am Hackeschen Markt – das begeisterte nicht nur die tanzenden Akteure gegen die Kommerzialisierung der Innenstadt, sondern stellte auch die Ordnungshüter vor wahrhafte Gesetzeslücken. Was ist schließlich strafbar an einem, der mit der EC- Karte in der Hand durch die Schalterhalle groovt.
Doch so lustvoll und innovativ dieser Partytrend des Protests ist, so schnell kann er auch wieder in sein Gegenteil umschlagen. Dazu bedarf es nicht einmal nur der Polizei, deren Partygeduld irgendwann einmal zu Ende sein könnte. Nicht zuletzt die Love Parade hat gezeigt, wie schnell nicht nur aus Widerstand Spaß und aus Spaß Widerstand, sondern aus Widerstand und Spaß auch jener Kommerz werden kann, gegen den man eigentlich antanzen wollte. Uwe Rada
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