Kommentar: Schöner Erfolg
■ Näherinnen mobilisierten die Medien
Wer hätte das gedacht, als eine Handvoll wackerer Frauen ausgerechnet zu dem Mittel des Hungerstreiks griff, um Arbeitsplätze zu verteidigen. Der Hungerstreik ist ein ultimatives Mittel in auswegloser Lage, implizit droht der Hungerstreikende mit seinem Tod.
Im Grunde war das Mittel daher dem Zweck nicht angemessen, überdramatisiert. Aber die Medien zwingen jedem, der in dieser mit Nachrichten überfütterten Welt noch Aufsehen erregen will, ungewöhnliche Formen auf. Natürlich war der Hungerstreik der Näherinnen kein Drohen mit dem eigenen Tod, sondern ein Trick, um mit einem hoch dramatischen Schlagwort die überregionalen Medien anzulocken.
Die „Hungerstreik“-Story hatte glücklicherweise so wenig Konkurrenz auf dem Markt der Nachrichtten, daß sie zur „Nachricht“ bundesweit wurde, und in dem kleinen Delmenhorst verdrängte der Delmod-Skandal natürlich umso mehr alle anderen Themen.
So mußte das Unternehmen klein beigeben und mit einem unökonomischen Kompromiß den Betriebsfrieden wiederherstellen. Das Beispiel macht Mut, und wenn in der kurzen Phase des Aufschubs auch betriebswirtschaftlich sinnvolle Lösungen gefunden werden, kann der Erfolg sogar von Dauer sein. Daran dürfte auch das Unternehmen Interesse haben, will es nicht erneut die Phantasie seiner Mitarbeiterinnen provozieren. Klaus Wolschner
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