Kommentar: Nichts sehen, nichts hören, nichts messen
■ Wie Merkel die Atomindustrie kontrolliert
Wem sollen wir nun glauben? Einer Bundesumweltministerin, die von strahlenden Partikeln auf Atommüllbehältern nichts gewußt haben will und nun rechtliche Konsequenzen gegen die arglistigen AKW-Betreiber prüft? Oder doch lieber dem Eisenbahnbundesamt, das die Aufsicht über die Castor-Transporte auf der Schiene hat?
Diese Aufsichtsbehörde des Bundes bestätigte gestern, daß man auch dort das Problem der Außenkontamination schon seit zehn Jahren kennt. Auch auf internationalen Fachkongressen haben die einschlägigen Experten schon intensiv das Dekontaminationsproblem debattiert und die Frage erörtert, wie man denn nun das Äußere eines beladenen Castors porentief von radioaktiven Partikeln reinigen soll. Ist bei diesen Debatten tatsächlich nie ein Atomexperte aus dem Bonner Umweltministerium oder auch nur dem ihm nachgeordneten Bundesamt für Strahlenschutz dabeigewesen?
Ganz sicher ist sich dessen auch Angela Merkel nicht. Sie will jetzt das Nichtwissen oder Wissen ihrer Beamten um den Strahlendreck am Castor noch einmal überprüfen. Und wenn da tatsächlich geprüft und vor allem wahrheitsgemäß geantwortet würde, müßte wohl der eine oder andere in Merkels Verantwortungsbereich zugeben, daß er von den Außenkontaminationen an Castor-Behältern schon mal gehört hat. Nur hielt er sie vielleicht nicht der Rede oder gar der Aktion wert.
Daß es die Haltung des „Was schert mich der internationale Grenzwert, es geht doch nur um ein paar Partikelchen“ bei den Kraftwerksbetreibern gibt und wahrscheinlich auch das Bundesumweltministerium damit kontaminiert ist, dafür trägt Angela Merkel persönlich die Verantwortung. Weit mehr noch als ihr Amtsvorgänger Klaus Töpfer hat die Diplomphysikerin in den letzten Jahren jedem, aber auch jedem ihrer Untergebenen klargemacht, daß ihr die Atomkraft eine rechte Herzensangelegenheit ist, daß das Bundesumweltministerium und die AKW-Betreiber stets an einem Strang zu ziehen haben. Daß da im Windschatten ihrer Protektion jahrelang Schlamperei und handfeste Verstöße gegen Transportgenehmigungen vorkommen konnten, darüber sollte sich Angela Merkel nun nicht künstlich aufregen. Auch in diesem Falle gilt: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Und wirklich ändern wird sich nur etwas mit einem neuen Kopf. Jürgen Voges
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