■ Kommentar: Ei des Kolumbus
Die Große Koalition hat schon schlechtere Tage erlebt. Im Augenblick läuft der Laden so einigermaßen, und es kommen sogar hin und wieder Entscheidungen heraus. Die Bezirksreform, eine gemeinsame CDU-SPD-Initiative zur Zukunft der BVG und möglicherweise bald auch ein Kompromiß zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe. SPD-Fraktionsvize Hermann Borghorst schickt sich gerade an, CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth die Hand zu reichen.
Unter den herrschenden Bedingungen ist das Holding- Modell für die Wasserbetriebe so etwas wie das Ei des Kolumbus. Es befriedigt alle Interessen so einigermaßen. SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing bekommt durch den Teilverkauf der Aktien zwei dringend benötigte Milliarden für den Haushalt. Die CDU muß nicht allzuweit von ihrer Privatisierungsideologie abrücken, und den Beschäftigten nimmt man nichts von ihren Besitzständen. Wird das Geschäft geschickt eingefädelt, kann es außerdem gelingen, einen interessanten Partnerkonzern zu finden, der sein Know-how in die Wasserbetriebe einbringt, ohne den bisher landeseigenen Betrieb auszunehmen wie eine Weihnachtsgans. Auch die SPD kann sich einstweilen an dem Gefühl laben, etwas für die Sanierung des Haushalts getan und gleichzeitig den staatlichen Einfluß auf einen wichtigen Betrieb nicht für ein paar Dollar aus der Hand gegeben zu haben.
Trotzdem stehen der SPD zwei Zerreißproben bevor. Eine kurzfristige: Der anstehende Parteitag muß seinen früheren Anti-Privatisierungs-Beschluß revidieren. Und eine langfristige: Die Teilprivatisierung könnte erst der Anfang sein – siehe Bankgesellschaft und Bewag. Hannes Koch
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