Kommentar: Mit Augenmaß
■ Kongo: UNO bewertet die Massenmord-Vorwürfe gegen Kabilas Truppen
Die Menschenrechtsexperten der UNO haben Augenmaß bewiesen. Ihr Bericht zu Massakern an ruandischen Hutu-Flüchtlingen im ehemaligen Zaire durch die Truppen der heutigen Regierung Kabila bleibt deutlich hinter den abenteuerlichen Vorwürfen zurück, die von manchen anderen Gruppen gemacht worden sind. Von einem Völkermord an Hunderttausenden Hutu, den manche Beobachter im Regenwald verborgen zu wissen glauben, ist keine Rede.
Die UNO hat Realpolitik gemacht. Sie hat begriffen, daß der Weg zu einer dauerhaften Stabilisierung der Länder im Afrika der Großen Seen nur über eine Stabilisierung der gegenwärtigen Regierungen führen kann – mit dem Ziel eines friedlichen Demokratisierungsprozesses. In Ruanda, Burundi und Kongo führen derzeit immer noch bewaffnete Gruppen mit ethnischen Revanchegelüsten Krieg. Daher würde jeder Schritt, der die jetzigen Regime untergräbt, Versuchen eines neuerlichen gewaltsamen Machtwechsels Vorschub leisten und neue Massenmorde legitimieren.
So bitter es klingt: Die dauerhafte militärische Niederlage jener Kräfte, die 1994 den ruandischen Völkermord verübten, ist die Voraussetzung, daß die Region jemals wieder zur Ruhe finden kann. Indem die UNO diese Einsicht in ihre Behandlung der Menschenrechtsverletzungen integriert, zeigt sie, daß sie eine wichtige Lehre aus Südafrika gezogen hat. Erst wenn unumkehrbare Schritte Richtung Versöhnung gemacht worden sind, kann auch die Bewältigung der Vergangenheit beginnen. Die Aufarbeitung der Geschichte kann nicht auf Kosten der Zukunft gehen.
Das darf natürlich nicht heißen, daß die noch ungeklärten düsteren Ereignisse der vergangenen Jahre vergessen werden sollen. Bei aller juristischen Vorsicht wiegen die Vorwürfe, die die UNO tatsächlich gegen Kongo und Ruanda erhebt, um so schwerer: Von „systematischen“ Massakern und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ist die Rede und auch davon, daß zur Klärung des Genozidvorwurfs die Frage beantwortet werden muß, ob hinter den Tötungen ruandischer Hutu-Flüchtlinge eine Intention zur Auslöschung gesteckt hat. Daß die Regierungen Kongos und Ruandas darauf mit Aufregung reagieren, darf man getrost ignorieren. Wichtiger wäre, daß sich die UNO auch in ein paar Jahren noch daran erinnert, was sie jetzt gesagt hat. Dominic Johnson
Bericht Seite 11
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