■ Kommentar: Geschichts-Outsourcing
Es ist der übliche Weg, um heutzutage eine unliebsame Idee still und heimlich zu entsorgen: Natürlich ist ein Mahnmal für die erschossenen Deserteure in der Charlottenburger Murellenschlucht wichtig, aber leider fehlt uns eben momentan das Geld dazu. Die 400.000-Mark-Rechnung für das Mahnmal wird zwischen Bezirk und Land hin- und hergeschoben. Zu deutsch: Wer die öffentliche Erinnerung an den staatlichen Terror der letzten Kriegsmonate wünscht, der soll eben privates Geld auftreiben. Bezirk und Land erklären sich schlicht für nicht zuständig – ganz so, als wäre die deutsche Vergangenheit Privatsache.
Daß das nicht stimmt, kann man gerade am Olympiastadion sehen. Dort stößt man noch heute auf die in Stein gehauene Menschenverachtung von Nazi-Deutschland. Gleich gegenüber der Waldbühne, wo das Mahnmal stehen soll, verherrlicht das Maifeld den „Opfertod“ Tausender Soldaten des Ersten Weltkriegs. Über 200 Soldaten von Hitlers Wehrmacht, die sich dem Morden durch Desertion entzogen, wurden nicht weit davon standrechtlich erschossen. Erst nach über 50 Jahren hat der Bundestag diese Art von Widerstand und Sabotage an der Mordmaschinerie des braunen Systems halbherzig anerkannt.
Man kann darüber streiten, ob der Staat der Eigentümer von Gas-, Wasser- und Stromversorgung sein muß. Doch die Gesellschaft kann die Erinnerung an ihre Geschichte nicht privatisieren und ihre Finanzierung nicht völlig den Mäzenen überlassen. Diese Art von Outsourcing verlagert nicht nur die Kosten für das Erinnern nach draußen, sondern nimmt der Gesellschaft jede Verantwortung für ihre eigene Geschichte. Bernhard Pötter
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