Kommentar: Pflicht Übereifer
■ Beamte gefährden Sicherheitsgefühl
Ein VW-Golf rast heran und hält mit quietschenden Reifen. Zwei Zivilpolizisten springen heraus. Einer von ihnen stürmt auf die beiden jugendlichen Passanten zu, hält seine „Marke“ in der linken Hand und die gezogene Waffe in der rechten. Er brüllt, er wolle die Ausweise sehen. Dies ist eine Szene aus dem wilden Westen Berlins – mit bleibendem Erinnerungswert.
Ein Student fährt mit der Bahn. Ein Bahnbeamter glaubt, sein Semesterticket sei gefälscht. Zwei Bundesgrenzschützer nehmen ihn am Bahnsteig in Empfang und befragen ihn fast eine halbe Stunde lang. Auch diese Szene hat bleibenden Erinnerungswert.
Von Übergriffen soll hier nicht geredet und erst recht nicht vom „Polizeistaat“ geschwatzt werden. Denn in beiden Beispielfällen haben Beamte ja nur ihre Pflicht getan.
Doch zwischen polizeilicher „Pflichterfüllung“ und dem verbalen Wettrüsten der in der Sache kaum zu unterscheidenden Volksparteien CDU und SPD um den Popanz Innere Sicherheit besteht ein Zusammenhang. Es trägt dazu bei, daß die Lücke zwischen subjektiver und objektiver Gefährdung immer weiter auseinanderklafft. Und es führt auch dazu, daß aus Pflichterfüllung Übereifer wird.
Bei Jugendlichen übrigens kann das subjektive Sicherheitsgefühl auch von Leuten bedroht werden, die es objektiv schützen sollen.
Christoph Köster
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