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■ KommentarHauptsache Modell?

Nicht nur die Polizei durfte gestern Bilanz ziehen, sondern auch der „saubere Teil“ des Hermannplatzes. Vor allem die „aggressiven Bettler“, so lautete das Fazit des Karstadt-Betriebsratsvorsitzenden zum „Berliner Modell“, seien ihm nach wie vor ein Dorn im Auge. Was also liegt näher, die gestiegene Polizeipräsenz in Kreuzberg und Neukölln gegen jene einzusetzen, die nach wie vor zum „scmutzigen Teil“ des Hermannplatzes gezählt werden? Mit dieser „Bilanz“ hat der Karstadt-Vertreter mit dem „Berliner Modell“ dasselbe Mißverständnis verknüpft, mit dem es im Februar dieses Jahres gestartet war.

Trotz Bratton-Besuchs in Berlin, trotz der Debatten um „null Toleranz“ stand zu Beginn der Diskussionen um das „Berliner Modell“ eben nicht das New Yorker Modell der Verbrechensbekämpfung Pate. Vielmehr war der gegen den anfänglichen Widerstand der Polizeigewerkschaften durchgesetzte Modellversuch in Kreuzberg und Neukölln das Startsignal für eine Polizeireform, an deren Ende nicht nur althergebrachte Privilegien fallen, sondern auch mehr Effizienz stehen sollte. Und das alles zum Wohle derer, die sich – im Einklang selbst mit den Bündnisgrünen – mehr Polizeipräsenz auf den Straßen wünschten.

Daß die Ursprungsidee einer überfälligen Polizeireform nun wieder mit dem Law-and-order-Vokabular der Toleranzgegner verbunden wird, ist freilich nicht zuletzt der Polizei selbst zu verdanken. Es war schließlich kein Zufall, daß der Auftakt des Modellversuchs im Frühjahr von einer großangelegten Razzia in der Hasenheide flankiert wurde. Ob Berlin oder New York – Hauptsache: Modell?

Um dem politischen Mißbrauch einer an sich richtigen Strukturreform vorzubeugen, ist es deshalb um so wichtiger, über die Schwerpunkte der polizeilichen Arbeit zu reden, die sich aus der zusätzlichen Präsenz der Beamten auf der Straße ergibt. Wer glaubt, der zunehmenden Angst der Berliner mit Razzien gegen Haschischdealer oder durch aggressives Vorgehen gegen Bettler begegnen zu können, irrt. Damit wird allenfalls den Sauberkeitsphantasien der örtlichen Gewerbetreibenden Rechnung getragen. Uwe Rada

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