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KommentarMoskauer Stagnation

■ Tschernomyrdins Rückkehr soll für Vertrauen im Westen sorgen

Die Entlassung des russischen Premierministers Sergej Kirijenko paßt ins Raster des politischen Handelns von Boris Jelzin. Dessen personalpolitische Amokläufe haben mittlerweile Methode. Das Muster ist bekannt: Wer die Dreckarbeit erledigt hat, fliegt. Zumindest diese Erfahrung dürfte Kirijenko fortan mit dem „Feuerwehrmann“ in Tschetschenien, dem ehemaligen Chef des Sicherheitsrates und jetzigen Gouverneur von Krasnojarsk, Alexander Lebed, teilen.

Auch die zurückhaltenden Reaktionen des Westens und der Appell des französischen Außenministers Hubert Védrine, Rußland auch weiter Vertrauen entgegenzubringen, erstaunen nicht. Schon längst hat hier das Bestreben zu nüchterner Analyse dem Willen Platz gemacht, Jelzin auch noch in den absurdesten Situationen die Stange zu halten. Entscheidender jedoch ist die Tatsache, daß der Nachfolger Kirijenkos mit Wiktor Tschernomyrdin dessen Vorgänger ist. Die Argumentation erscheint auf den ersten Blick einleuchtend: Der Mann ist bekannt, scheint berechenbar und garantiert ein Mindestmaß an Stabilität.

Genau aber hier liegt das Problem. Nicht zuletzt die mangelnde Fähigkeit zu Reformen war die Begründung dafür, Tschernomyrdin vor fünf Monaten abzulösen. Jetzt aber, wo Rußland von der schlimmsten Finanzkrise seit Jahren betroffen ist, sollen plötzlich unter der Ägide des Ex-Chefs des Energiekonzerns Gasprom die so dringend notwendigen Schritte eingeleitet werden.

Wie die Duma mit einem ihr mißliebigen Regierungschef umgeht, hat das Ernennungsmarathon um Kirijenko bewiesen. Erste Äußerungen von Abgeordneten und die Verschiebung von wichtigen Sondersitzungen legen den Verdacht nahe, daß es weniger um die schnelle Einsetzung einer arbeitsfähigen Regierung als um eine erneute Machtprobe mit dem Präsidenten geht.

Und so könnte die vielbeschworene Stabilität eher Stagnation bedeuten, und das in einer Situation, die keinerlei Verzögerung erlaubt. Vor allem nicht für die Bevölkerung, der weiterer Verzicht und eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation kaum mehr zuzumuten sind. Bislang sind großangelegte Protestaktionen, wie die Streiks hungernder Bergleute für monatelang ausstehende Löhne, noch die Ausnahme. Das könnte sich schnell ändern. Barbara Oertel

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