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KommentarDenkverbot

■ Die reflexhafte Empörung über das österreichische Migrationspapier nützt nichts

Der Aufschrei der Empörung kam wie ein Reflex. Österreich will das Heiligtum der Flüchtlingspolitik, die bewährte alte Genfer Flüchtlingskonvention, zur Disposition stellen! Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen gaben Alarm. Haltet den Dieb, rufen nun auch die Grünen angesichts des Strategiepapiers zur Migrationspolitik, das Österreich unter seiner EU- Präsidentschaft vorgelegt hat. Und auch österreichische Politiker rücken schon erschrocken von den Vorschlägen ab.

Abgesehen davon, daß eine Abschaffung der Genfer Flüchtlingskonvention gar nicht Kernpunkt dieses Migrationspapiers ist – warum sind Zweifel an einer Festung verboten, die immer weniger Schutz bietet? Die Genfer Flüchtlingskonvention ist zweifellos eines der großen politischen und humanitären Vertragswerke der internationalen Staatengemeinschaft. Nur ist sie eher Selbstverpflichtung als Regelwerk. Sie liefert weder ein Instrumentarium für die neuen Flüchtlingsszenarien, noch weist sie einen Ausweg, wenn verzweifelte Menschen aus dem Kosovo vor der Küste Italiens treiben und die Behörden nicht willens oder überfordert sind, sie aufzunehmen. Sie hilft weder den afrikanischen noch den europäischen Staaten, solidarisch mit Flüchtlingen umzugehen, sie bereitet nicht darauf vor, daß vielleicht bald schon Tausende versuchen, dem russischen Chaos zu entkommen.

Die Flüchtlingskonvention kann keine europäische Flüchtlingspolitik ersetzen. Die hat es in einem Europa, wo von der Größe der Banane bis zum Kleingedruckten auf der Zigarettenpackung alles geregelt ist, nie gegeben. Und vor allem darauf weist das österreichische Papier hin. Europa darf Migrationspolitik nicht weiter durch ein Gewurschtel von Gipfeltreffen und gemeinsamen Deklarationen ersetzen, die spätestens dann Makulatur werden, wenn es um einen Lastenausgleich für die Hauptaufnahmeländer geht. So gibt es bis heute keine europäische Asyl- und Einwanderungspolitik. Das Problem, das derzeit in fast allen EU-Ländern als größte innenpolitische Herausforderung gilt, läuft international unter ferner liefen: kein Geld, keine Brain-Trusts, keine Konzepte.

Konzepte fehlen auch jenen, die das österreichische EU-Papier jetzt kritisieren. Sie verteidigen statt dessen alte, hohle Bastionen. Aber Migrationspolitik braucht neue Ideen und praktikable Vorschläge. Denkverbote helfen niemandem weiter. Vera Gaserow Bericht Seite 5

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