■ Kommentar: Außer Kontrolle
Von einer Pannenserie kann man schon gar nicht mehr sprechen, vielmehr muß man dem Verfassungsschutz multiples Versagen attestieren. Im Fall Otto D. hatten die Verfassungsschützer auf einer ausgesprochen dünnen Beweisbasis das folgenschwere Urteil der Scientology-Mitgliedschaft gefällt. Dann erlitt das Amt in der vergangenen Woche vor dem Verwaltungsgericht eine schwere Niederlage, weil den Richtern die Erkenntnisse über die Verfassungsfeindlichkeit der rechtsextremen Republikaner zu dürftig waren. Und nun auch noch das: Der Verfassungsschutz scheut nicht davor zurück, ehemalige Stasi-Mitarbeiter zu beschäftigen.
Offenbar war die Aussicht, durch V-Mann „Junior“ Erkenntnisse über Scientology zu erlangen, so verlockend, daß Bedenken über dessen frühere Stasi-Tätigkeit dahinter zurückstehen mußten. Während im öffentlichen Dienst Beschäftigte bei Stasi- Verstrickungen nicht übernommen wurden, sollen ausgerechnet beim Geheimdienst andere Maßstäbe gelten.
Mit Fehlern von Mitarbeitern des Amtes allein lassen sich die Pannen nicht erklären. So sehr der Innensenator, der Staatssekretär und der Amtsleiter versuchen, die Verantwortung von sich zu schieben, so leicht werden sie sich nicht aus der Schußlinie bringen können. Keiner der drei scheint den Verfassungsschutz unter Kontrolle zu haben. Und dem für die Kontrolle zuständigen Parlamentsausschuß wollte der Innensenator die Stasi-Vergangenheit des V-Mannes vorenthalten. Dabei ist er gesetzlich verpflichtet, diesen über „besondere Vorkommnisse“ zu unterrichten. Nicht nur dem Ausschuß, auch der Öffentlichkeit ist Schönbohm eine Erklärung schuldig. Dorothee Winden
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