Kommentar: Gewollte Katastrophe
■ Schlechte Stimmung im Amt hat System
Arbeitslosen- und Sozialhilfeberater wollten es erst gar nicht glauben: Ganz normale SachbearbeiterInnen im Sozialamt schmeißen die Brocken hin und melden sich kollektiv krank. Froh jubelnd nahmen die Selbsthilfegruppen diese Nachricht auf – in der Hoffnung, jetzt werde sich endlich alles zum Besseren wenden – für die Ärmsten in unserem kleinen Bundesland.
Dabei ahnen doch auch sie insgeheim: Ihre Forderung nach mehr Stellen in den Sozialämtern dieser Stadt wird ungehört verhallen. Denn was hätte das für Folgen, wenn es in den Sozialämtern plötzlich viel mehr Spielraum gäbe? Wenn aus den chronisch-überlasteten MitarbeiterInnen plötzlich umgänglichere Zeitgenossen würden? Und die SachbearbeiterInnen sogar ein bißchen mehr Zeit hätten, ihrer Beratungspflicht nachzukommen?
Dann würde sie verloren gehen, die eigentliche Funktion von Sozialämtern: „Abzocker“ durch lange Wartezeiten, brutal-genervte Behördenmenschen und immer neue schikanöse Antragsformalitäten abzuschrecken. Auf daß auch der letzte Sozialhilfeempfänger versteht, daß sein noch so kleines Begehr frühestens in sechs Monaten eine Ablehnung oder Bewilligung erfährt. Die Katastrophe im Amt ist gewollt – und deshalb wird an diesem abgekarteten Spiel auch ein kollektiver Bummelstreik der SachbearbeiterInnen nichts ändern. Katja Ubben
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