Kommentar: Alibiveranstaltung
■ Veränderungen im Abschiebeknast sind unerwünscht
Der Runde Tisch im Abschiebegewahrsam Grünau sei gescheitert, resümierten gestern die Bündnisgrünen Norbert Schellberg und Ismail Kosan. Das ist zu kritisieren, wundert aber nicht. Denn die Innenverwaltung hat bislang – trotz starker Proteste und zahlreicher Hungerstreiks – keinerlei Interesse gezeigt, die Verhältnisse in Grünau zu verbessern. Warum sollte sie auch? Denn schließlich sind die Abschiebeknäste Teil der Abschreckungsstrategie, mit der sich die Bundesrepublik ungebetene Gäste vom Hals halten will. Ob sich dies mit der neuen, rot- grünen Bundesregierung ändern wird, bleibt noch abzuwarten.
Die Gespräche im Abschiebegewahrsam „Runder Tisch“ zu nennen, ist ohnehin hochgegriffen. Zwei Gespräche haben stattgefunden, in denen einige Abschiebehäftlinge Vertretern von Polizei, Justiz und Ausländerbehörde ihre Schicksale und ihre Sicht auf die Dinge schildern konnten. Das ist zwar positiv, ändert aber an der Situation der Häftlinge nichts. Und das scheint auch nicht die Absicht der Innenverwaltung gewesen zu sein. Denn sonst hätte sie nicht Verwaltungsangestellte, sondern Vertreter der politischen Ebene zu den Gesprächen geschickt. Und hätte sie wirklich zu einem Runden Tisch geladen, hätten Gefängnisseelsorger, Parlamentsabgeordnete, der von der Innenverwaltung eingesetzte Gewahrsamsbeirat sowie der Flüchtlingsrat gemeinsam mit Häftlingen und Behörden über die Lage in Grünau beraten können. Doch so war der „Runde Tisch“ eine reine Alibiveranstaltung, der mit Hilfe der Bündnisgrünen den Protest in Grünau vorübergehend eingedämmt hat. Nach diesem Hoffnungsschimmer aber ist die Enttäuschung unter den Häftlingen um so größer. So ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis zum nächsten verzweifelten Hungerstreik.
Die Kritik der Häftlinge ist vielfältig und häufig berechtigt: Sie geht von Beschwerden über Essen, medizinische Versorgung und schlechte Behandlung über mangelnde Beratung und schleppende Paßbeschaffung durch das Landeseinwohneramt bis zur langen Haftdauer im Abschiebeknast. Zentral aber ist, daß viele der Inhaftierten einfach nicht verstehen, warum sie im Knast gelandet sind. Denn die meisten von ihnen sind nicht kriminell im eigentlichen Sinne. Ihr Vergehen besteht darin, sich in einem Land aufzuhalten, das sie nicht will. Dafür sitzen sie im Knast, aber dort gehören sie nicht hin. Deshalb bleibt die alte Forderung: Abschiebehaft gehört abgeschafft. Sabine am Orde
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen