piwik no script img

KommentarWürdige Gedenkfeier

■ Konzept der Jugendnacht ging auf

Zugegeben, Rap, Internet und Holocaust, das wirkte im ersten Moment schon wie eine groteske Mischung. Es war ein großes Wagnis, die Pogromnacht auf diese unkonventionelle Weise anzugehen. Es hätte – nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes – viel Geschirr zerschlagen werden können. Die Anspannung Scherfs war also verständlich. Allen Skeptikern zum Trotz – die Nacht der Jugend war eine großartige Veranstaltung. Über 3.000 (in Worten: Dreitausend) Jugendliche haben sich im Rathaus sehr ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Das Konzept, sie mit Musik ins Rathaus zu locken, ging auf. Es war überfällig, eine neue Art der Auseinandersetzung zu finden. Moralinsaure Vorträge, die Betroffenheit von oben herab verordnen und Schuldgefühle einimpfen, bergen die Gefahr, daß sie das Gegenteil von dem bewirken, was sie bewirken wollen.

Und noch eins haben die Veranstalter geschafft. Sie haben das Rathaus geöffnet – vom Bürgermeisterzimmer bis zum Sitzungssaal des Senats. Mit dieser Geste haben sie den Jugendlichen das Gefühl vermittelt, daß Politik etwas Greifbares, nichts Abgehobenes und ihnen Unzugängliches ist. In Zeiten, in denen das Wort von Politikverdrossenheit die Runde macht, haben sie den Jugendlichen etwas gezeigt, das von unschätzbarem Wert ist: Hier, in diesen Räumen, wird die Politik gemacht. Und ihr habt sie in der Hand. Kann es ein besseres Zeichen zum 9. November geben? Kerstin Schneider

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen