Kommentar: Würdige Gedenkfeier
■ Konzept der Jugendnacht ging auf
Zugegeben, Rap, Internet und Holocaust, das wirkte im ersten Moment schon wie eine groteske Mischung. Es war ein großes Wagnis, die Pogromnacht auf diese unkonventionelle Weise anzugehen. Es hätte – nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes – viel Geschirr zerschlagen werden können. Die Anspannung Scherfs war also verständlich. Allen Skeptikern zum Trotz – die Nacht der Jugend war eine großartige Veranstaltung. Über 3.000 (in Worten: Dreitausend) Jugendliche haben sich im Rathaus sehr ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Das Konzept, sie mit Musik ins Rathaus zu locken, ging auf. Es war überfällig, eine neue Art der Auseinandersetzung zu finden. Moralinsaure Vorträge, die Betroffenheit von oben herab verordnen und Schuldgefühle einimpfen, bergen die Gefahr, daß sie das Gegenteil von dem bewirken, was sie bewirken wollen.
Und noch eins haben die Veranstalter geschafft. Sie haben das Rathaus geöffnet – vom Bürgermeisterzimmer bis zum Sitzungssaal des Senats. Mit dieser Geste haben sie den Jugendlichen das Gefühl vermittelt, daß Politik etwas Greifbares, nichts Abgehobenes und ihnen Unzugängliches ist. In Zeiten, in denen das Wort von Politikverdrossenheit die Runde macht, haben sie den Jugendlichen etwas gezeigt, das von unschätzbarem Wert ist: Hier, in diesen Räumen, wird die Politik gemacht. Und ihr habt sie in der Hand. Kann es ein besseres Zeichen zum 9. November geben? Kerstin Schneider
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