Kommentar: Italienische Lösung
■ Rom ist ratlos: Niemand will in Europa den PKK-Führer Öcalan haben
Es gäbe, aus italienischer Sicht, eine solide Lösung für den Fall Öcalan. Deutschland müßte nur auf seinem Auslieferungsgesuch bestehen; der internationale Haftbefehl, vorige Woche von der Bundesanwaltschaft noch verschärft, würde dies ohne weiteres gestatten. Die Italiener wären todfroh, denn dann wären sie den unvorsichtigerweise verhafteten PKK-Führer endlich los. Aber nicht einmal auf die Deutschen ist mehr Verlaß.
Dabei hatten es sich die Italiener so schön vorgestellt, als sie den Kurdenführer festsetzten. Zum einen gefiel dies der Türkei, was, so die Hoffnung, der Zusammenarbeit gegen die kurdische Flüchtlingswelle zugute kommen würde. Freilich war von Beginn an klar, daß man Öcalan nicht an Istanbul ausliefern würde – wg. Todesstrafe und weil die Deutschen den Mann ja auch wollten. Man hätte, nach einem alten italienischen Sprichwort, die Ziege und den Kohl gerettet.
Doch nun will Deutschland Öcalan eher nicht haben, und die Türken toben wegen Öcalans Freilassung, die noch dazu rechtlich ganz und gar legitim ist. Und auch die anderen EU-Staaten sind, wenn das Wort Öcalan fällt, von einer geradezu epidemischen Schwerhörigkeit befallen.
Was tun? Die derzeit in Rom diskutierten Lösungen sind eher zum Lachen: Man solle den Mann „entkommen“ lassen. Das ist schwierig, weil Öcalan gar nicht wegwill. Oder man weist ihn aus, dann müsse er wählen, wohin er will. Nur: Woanders will ihn auch niemand. Oder doch befristete Aufenthaltserlaubnis, bis die Türkei die Todesstrafe abschafft? Dagegen machen Menschenrechtler mobil, die der Türkei auch ohne Todesstrafe kaum ein rechtsstaatliches Verfahren zutrauen.
So bleibt am Ende vielleicht nur jene „italienischste“ aller Lösungen, die ein Anrufer einer Rundfunksendung vorschlug: Der Mann habe doch in Italien gegen das Gesetz verstoßen, als er mit gefälschten Papieren eingereist sei – dafür müsse er verurteilt werden, und solange er die Strafe absitzt, könne er nicht ausgeliefert werden. Einwand: Aber dafür gibt es doch nur ein paar Wochen Haft. – Da liegt ja gerade der Trick: Wir verurteilen ihn einfach zu „lebenslänglich“. – Unmöglich, das wird keinen Bestand haben. – Eben: Die Sache geht durch den gesamten Instanzenweg, das dauert ungefähr 15 Jahre. Und dann wird doch wohl die Kurdenfrage endlich geklärt sein. Werner Raith
Bericht Seite 7
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