Kommentar: Späte Einsicht
■ Erst jetzt wird über ein UNO-Mandat für den Kosovo debattiert
Bosnien, Kroatien – die Halbwertszeit politischer Erfahrungen aus der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts ist offenbar gleich Null und ohne jede Bedeutung für den in seinen Grundmustern sehr ähnlichen Konflikt im Kosovo. Es bedurfte erneuter Massaker, bis in der internationalen Debatte über die Zukunft dieser Provinz jetzt endlich die Vorschläge auftauchen, die spätestens im Sommer letzten Jahres auf die Tagesordnung gehört hätten: Stationierung einer internationalen Bodentruppe und Einrichtung eines Protektorats zur Befriedung der bewaffneten Auseinandersetzung und als unerläßlicher Rahmen für Verhandlungen über eine dauerhafte politische Lösung des Konflikts.
Es kommt nun sehr darauf an, ob und in welcher Form diese Vorschläge in den Staaten diskutiert werden, die für die Beendigung der Kämpfe entscheidend sind. Zu ihnen gehört – ob das dem einzelnen nun gefällt oder nicht – Deutschland, nicht zuletzt wegen seiner erheblichen Verantwortung für den Verlauf der innerjugoslawischen Konflikte zu Anfang dieses Jahrzehnts. Doch bislang erwecken weder die rot-grüne Regierung noch die Opposition, noch die regierungsunabhängigen Organisationen den Eindruck, sie hätten dies voll begriffen. Mit den jüngsten Äußerungen von Nato-General Naumann über den eventuellen Einsatz deutscher Bodentruppen im Kosovo droht jetzt wieder die falsche, weil auf das grundsätzliche Für und Wider eines Einsatzes von Bundeswehrsoldaten im Ausland verengte Debatte. Notwendig wäre statt dessen, zunächst die politischen Ziele und völkerrechtlichen Bedingungen für die Stationierung einer internationalen Truppe im Kosovo und dann auch einer Beteiligung deutscher Soldaten zu bestimmen und danach mit einer eigenständigen deutschen Haltung in die internationale Debatte zu gehen. Nach dem Motto „Die Regierung bekennt sich kritiklos zu allem, was die Amerikaner vorschlagen, die außerparlamentarische Opposition beläßt es bei der grundsätzlichen Ablehnung militärischer Instrumente“ kommt niemand weiter.
Die Richtung muß heißen: UNO-Mandat für die Kosovo-Truppe und möglichst nicht nur Zustimmung, sondern auch aktive Beteiligung und damit politische Einbindung Rußlands. Daß über ein solches Szenario seit Beginn des Kosovo-Krieges vor einem Jahr nicht ernsthaft diskutiert wurde, ist auch ein Versäumnis der deutschen Politik. Andreas Zumach
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