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KommentarEin ostdeutsches Karriereende

■ Der Fall Caspary: Warum sich die Stasi-Affären alle gleichen

Es war als symbolischer Akt gedacht. Eine junge Ostdeutsche, die Karriere in der ARD gemacht hatte, eine Frau, die erstaunt auf ihre SED-Vergangenheit zurückblickte, sollte SPD-Parteisprecherin werden. Nun aber sind Stasi-Akten aufgetaucht, und Dörte Caspary hat auf ihren Posten verzichtet. Als Jugendliche soll sie Mitschüler bespitzelt haben.

Die Öffentlichkeit hat diesen Fall mit mattem Interesse verfolgt. Wie sollte es auch anders sein? Das Schauspiel der Stasi-Enthüllungen ist zigmal aufgeführt worden. Es reicht, wenn man kurz vor dem letzten Akt aufwacht. Man kennt die Ausflüchte, man weiß um die Verdrängungsleistungen. Der Fall Caspary unterscheidet sich im dramaturgischen Verlauf nicht von vielen vorangegangenen: von dem des PDS-Reformers Andre Brie, der seine IM- Tätigkeit erst offenbarte, als nichts mehr zu verheimlichen war; oder dem des Moderators Lutz Bertram, der ging, als die Akten seine selbstinszenierte Opferrolle ins Wanken brachten.

Irgendwie hofften sie alle durchzukommen. Dabei wußten sie, die professionell in oder mit den Medien zu tun hatten, was ihnen blühte. Trotzdem hielten sie sich bis zuletzt. Dafür gab es nachvollziehbare Gründe. Wozu frühere Handlungen offenbaren, die man selbst nicht mehr begriff, die man mittlerweile mit den Augen eines Fremden betrachtete? Weil man Karriere gemacht hatte und sie weiterhin zu machen hoffte. Offenbarungen sind immer ein Schritt ins Dunkel. Niemand möchte den Platz räumen, den man sich mit Leistungen erworben hat, die nichts mit der Vergangenheit zu tun haben. Diese persönlichen Motive sind nicht zu trennen vom gesellschaftlichen Klima, in dem man sich offenbaren müßte. In bestimmten politisch exponierten Positionen – allen voran in den Medien, den Parteien (außer der PDS) – bedeutet aber eine Stasi-Mitarbeit fast immer das Ende der Karriere.

Der Fall Caspary ist tragisch und exemplarisch zugleich, weil er das Dilemma der Stasi-Zuträger aufzeigt. Sie verpassen den richtigen Zeitpunkt ihrer Offenlegung, weil es ihn nicht gibt. Zumindest nicht ohne berufliche Nachteile. Hätte sich Caspary früher erklärt – hätte sie dann in der ARD Karriere gemacht? Hätte sie sich nun der SPD offenbart – wäre sie deren Sprecherin geworden? So blieb ihr nur die Mischung aus Verdrängen, Hoffen und Abwarten. Bis zum letzten Akt.

Severin Weiland

Porträt Seite 16

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