Kommentar: Männer unter sich
■ Mißbrauch wird einfach verteidigt
Ein Lehrer mißbraucht seine Schülerin, und alle haben Verständnis. Als der Schulleiter von dem Mißbrauch erfährt, sorgt er zwar dafür, daß der Pädagoge versetzt wird. Aber weil er nicht sicher ist, ob sich die 15jährige „was die Frage der allgemeinen moralischen Verantwortung betrifft, so völlig daneben stellen kann“, versucht er, die Anzeige zu verhindern (siehe taz vom 27.1).
Auch der pädagogische Mitarbeiter eines Bürgerzentrums, zuständig für Jugendarbeit, versucht, dem Mädchen die Anzeige auszureden. „Für mich war das kein Mißbrauch“, sagt er. Er glaubt, daß sich die 15jährige nur „darauf versteift“ habe, „Rache zu nehmen“. Das Mädchen läßt sich nicht beirren. Der Kommentar des pädagogischen Mitarbeiters: „Sie war wohl überfordert, sich da zurückzunehmen.“ Und auch der Referent der Bildungsbehörde zeigt Verständnis. Er attestiert dem Pädagogen eine „einmalige Entgleisung, die in der Konstellation der Beziehung begründet war“. Männer unter sich.
Auf die Idee, daß die Beziehung des Lehrers zu einem „leicht gestörten“, magersüchtigen und „sehr unsicheren“ Mädchen besonders verwerflich sein könnte, kommt offenbar keiner der Herren Pädagogen. Selbstverständlich wird der Lehrer an die Schule zurücckehren – wenn sich der Wirbel gelegt hat. Schließlich ist er Beamter. Nur Verkäuferinnen, die klauen, werden sofort entlassen.
Kerstin Schneider
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