piwik no script img

KommentarUnpassendes Geschenk

■ Billige Blumen für Mielke

Was ist geschehen? Stasi-Chef Erich Mielke hat Geburtstag, 91 Jahre wird er alt. Das Bezirksamt Hohenschönhausen beauftragt einen Mitarbeiter, „im Rahmen der Seniorenbetreuung“ dem Jubilar einen Blumenstrauß zu überreichen. Ein ganz normaler Vorgang, heißt es aus dem Amt. Jeder Bezirksbürger über 90 bekomme ein kleines Blumenpräsent, nicht teurer als zehn Mark.

Was ist außerdem geschehen? Die Nachrichtenagentur dpa meldet gestern: „Blumenstrauß für Mielke auf Staatskosten“ und zitiert die „Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft“ mit den Worten, „die Ehrung Mielkes empfinden alle Opfer als eine der schlimmsten Brüskierungen, die ihnen in letzter Zeit zugefügt wurden“. Ein CDU- Stadtrat distanziert sich von der Gratulation. Die Bezirksbürgermeisterin, parteilos, meint knapp: „Mielke ist noch immer ein menschliches Wesen.“ Die dpa verschickt die Meldung mit Priorität 3, was heißt: Nicht ganz unwichtig. Eine Dame aus dem Bezirksamt stöhnt laut ins Telefon: „Ich weiß wirklich nicht, was es für Blumen waren.“ Ganz sicher waren es keine roten Nelken. Denn die kosten mehr als zehn Mark. Es war also ein unpassendes Geschenk.

Was könnte tatsächlich geschehen sein? Der Blumenzuträger aus dem Bezirksamt hat also einen kleinen Blumentopf gekauft, ist zu Mielkes Hochhaus gefahren, hat, um in den vierten Stock zu gelangen, den Fahrstuhl genommen, hat geklingelt, doch niemand wird geöffnet haben, Mielkes, Erich und Gertrud, öffnen nicht mehr; er hat den Topf also vor die Tür gestellt, in der Hoffnung, das Greisenpaar werde ihn eines Tages entdecken.

Und dann? Gertrud hat getobt, Erich hat gekrächzt. Ein billiger Blumentopf in „Blume 2000“-Papier! Womöglich aus dem Blumemparadies Niederlande, kapitalistisches Ausland, eingeflogen! Ganz sicher bezahlt mit Westgeld. Eins zu eins. Nicht umgerechnet. Kein Blumenpräsent für fünf Mark, wie es wohl passend gewesen wäre.

Fürwahr: Mielke ist andere Geschenke gewohnt. Im Wert von 2.000 Mark beispielsweise. Das ist die Haftentschädigung, die ihm das Land Berlin nach gerichtlicher Entscheidung bezahlen muß. Jens Rübsam

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen