Kommentar: Zwischen Kosovo und Osterweiterung
■ Das westliche Bündnis steht vor einer Zerreißprobe
In den letzten 48 Stunden fanden in der Brüsseler Nato-Zentrale zwei Ereignisse statt, die kaum gegensätzlicher sein könnten: Am Montag abend tagten die 16 Botschafter des Nato-Rates bis tief in die Nacht zum Thema Kosovo. Beschlüsse konnten nicht gefaßt werden: Angesichts der weiterhin völlig unnachgiebigen Haltung der serbischen Regierung bei der Kosovo-Konferenz in Paris beherrschte Ratlosigkeit die Szene.
Hinzu kam die wachsende Sorge, diesmal werde der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević das Bündnis nicht – wie im letzten Oktober – noch einmal in letzter Minute davor bewahren, ihre bislang wirkungslosen Drohungen mit Luftangriffen doch noch wahrmachen zu müssen. Längst hat auch in der Nato die Einsicht um sich gegriffen, daß Luftangriffe auf Serbien dem Bündnis letztlich mehr schaden würden als Milošević. Letztendlich wurden die Drohungen aus Ratlosigkeit dann noch einmal bekräftigt.
Gestern morgen fand im Hauptquartier der westlichen Militärallianz dann die feierliche Aufnahme der neuen Mitglieder – Polen, Ungarn und Tschechische Republik – statt. Bei Kaiserwetter und im Beisein der Regierungschefs dieser drei Staaten. Bei knatternden Fahnen im Wind, Paraden und Blasmusik waren viele hehre Worte zu hören über die Ausstrahlung von Freiheit, Demokratie und Stabilität nach Osteuropa. Wer nach dem Kosovo fragte, dem wurde von Generalsekretär Solana und seinen Sprechern auch dies Thema als „erfolreiches Handeln der Nato“ verkauft.
Doch die Hoffnung, der historische Akt der Aufnahme ehemaliger osteuropäischer Gegnerstaaten werde die Probleme im Kosovo zumindest bis zum 50. Jubiläums-Gipfel in Washington Ende April überstrahlen und in den Schatten stellen, wird sich nicht erfüllen.
Wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird die weitere Entwicklung im Kosovo die Nato demnächst vor die schwerste Belastungsprobe ihrer Geschichte stellen. Hinzu kommen die erheblichen Differenzen über die künftige Nato-Strategie. Sie dürften vor dem Gipfel kaum überwunden werden, ebensowenig wie die Meinungsverschiedenheiten über die Aufnahme zusätzlicher Mitglieder in die Allianz der 19. Statt wie geplant zur Jubelfeier für „das erfolgreichste Sicherheitsbündnis der Geschichte“, könnte der Gipfel in Washington zur Zerreißprobe für die Nato werden. Andreas Zumach Bericht Seite 4
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