Kommentar: Abziehen, standhalten, kämpfen?
■ Balkankonflikt: Volker Rühe macht sich unglaubwürdig
Sollte Deutschland zusammen mit seinen Verbündeten in eine offene militärische Konfrontation auf dem Balkan hineinschliddern, es wäre eine List der Geschichte. Der erste Krieg des wiedervereinigten Deutschland fände unter dem Befehl eines rot-grünen Verteidigungsministers statt und hätte wohl innenpolitische Erschütterungen zur Folge. Und das ausgerechnet wegen Serbien.
Der Krieg ist nicht mehr auszuschließen. Zwar hat die Nato ihre Drohung noch nicht wahrgemacht, Bombenangriffe gegen Jugoslawien zu fliegen. Noch wird versucht, Milošević zur Unterschrift unter den Friedensvertrag zu bewegen. Doch mit jedem Tag, der verstreicht, mit jedem Tag weiterer ethnischer Säuberungen im Kosovo steigt der Handlungsdruck. Und niemand kann ernsthaft ausschließen, daß nach Bombenangriffen auch Bodentruppen eingreifen müssen. Auch wenn dies regelmäßig dementiert wird.
Sollten serbische Einheiten die Nato- Truppen in Makedonien angreifen, wird es für die Deutschen brenzlig. Denn ihre Truppen sind in Reichweite der serbischen Artillerie und ihrer Kurzstreckenraketen stationiert. Daß Verteidigungsminister Rudolf Scharping Luftabwehrraketen ins Krisengebiet liefern will, zeigt, wie ernst er die Lage einschätzt. Die bisherigen Aufträge der in Makedonien stationierten Bodentruppen hätten solche Waffen nicht erfordert. Sind mit der veränderten Lage die beiden bisherigen Aufträge für die Nato- Bodentruppen – Schutz der OSZE-Mitarbeiter und Einrücken in das Kosovo nach einem Friedensvertrag, ohne einen Schuß abzufeuern – erledigt?
Noch halten die Nato-Militärs an der Option Friedenstruppe fest. Aber die Vorbereitungen für den worst case sind angelaufen. Das erfordert Zeit. Was den ehemaligen Verteidigungsminister Volker Rühe in dieser Situation dazu veranlaßt, den Rückzug der deutschen Bodentruppen aus Makedonien zu fordern, bleibt unverständlich. Denn er weiß, daß nur ein glaubwürdiges Drohszenario die Unterschrift Milošević' erzwingen kann. Ebenso, daß für den Einsatz deutscher Bodentruppen ein Beschluß des Bundestags vorliegen muß. Sollte seine Aussage ein innenpolitisches Manöver sein, um in dieser existentiell wichtigen Frage der rot-grünen Regierung in den Rücken zu fallen, machte er sich selbst unglaubwürdig – nach allem, was er früher gefordert hat. Erich Rathfelder
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen