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KommentarVerkalkuliert

■ Ohne Schutzzone im Kosovo droht ein Flächenbrand in ganz Südosteuropa

Die Nato, das wissen wir allmählich, hat sich verkalkuliert. Auch nach 14 Bombentagen und -nächten hat der Diktator in Belgrad nicht eingelenkt. Ein halbherzig angekündigter Osterurlaub ist bislang alles, was die größte Militärmacht der Welt Milošević abringen konnte.

Schon in der letzten Woche war absehbar, daß der verzweifelte Wunsch der politischen Führer der Nato, Milošević möge doch bitte den Friedensvertrag von Rambouillet unterschreiben, nicht in Erfüllung ging. Statt dessen nahm das Grauen im Kosovo apokalyptische Züge an. Doch Fischer, Albright, Cook und die anderen politischen Architekten einer neuen Ordnung im Balkan hatten nur eine Antwort: die Eskalation des Bombenkrieges. Jetzt rächt sich mit aller Brutalität, daß die Regierungen der Nato-Staaten, wenn sie denn Krieg führen wollten, politisch nicht in der Lage waren, ihre Kriegsziele eindeutig zu definieren – und dafür zu sorgen, daß sie durchsetzbar sind.

Wenn es tatsächlich darum geht, die Menschen im Kosovo zu schützen, wenn man tatsächlich wußte, daß Milošević eine „ethnische Säuberung“ des Kosovo vorbereitet – warum war die Nato dann nicht darauf vorbreitet, die Kosovo-Albaner auch dann vor Mord und Totschlag zu bewahren, wenn Milošević sich von den Bomben nicht vom geplanten Genozid abbringen läßt? Wenn die Nato ihren gesamten bisherigen Einsatz nicht ad absurdum führen will, dann muß sie tun, was längst hätte geschehen müssen: Soldaten einsetzen, die zunächst eine Schutzzone im Kosovo einrichten. Sonst werden die Leichenberge weiter wachsen. Sonst wird auch die Gefahr zunehmen, daß der Krieg in wenigen Wochen auch auf Makedonien und Albanien übergreift.

Hunderttausende Flüchtlinge, die jetzt nach Makedonien und Albanien strömen, kann man nicht in alle Welt ausfliegen. Statt dessen drohen beide Länder in den Krieg mit hineingezogen zu werden. Und das würde auch Bulgarien, Griechenland und die Türkei tangieren. Der schlimmste Fall, ein Flächenbrand in ganz Südosteuropa, wäre nicht mehr ausgeschlossen.

Schon um dieses Schreckensszenario zu verhindern, darf die Nato keinen Tag mehr zögern: Im Kosovo muß ein sicheres Gebiet für die Flüchtlinge geschaffen werden. Egal, wie man den Einsatz dieser Truppen nennt – je früher sie eingesetzt werden, desto besser. Jürgen Gottschlich

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