Kommentar: Prompte Reaktion
■ Prodi führt Verhaltenskodex für EU-Kommissare ein
Romano Prodi wollte die Fehler seiner Vorgänger vermeiden – hatte doch Edith Cresson trotz nachgewiesener Schlamperei und Vetternwirtschaft so fest im Sessel geklebt, daß der Skandal am Ende Kommissionschef Santer und seine ganze Mannschaft mit in den Strudel riß. „Das passiert mir nicht“, sagte sich der Neue. Nun hat ihm Martin Bangemann gezeigt, daß auch geschaßte Kommissare Ärger machen können. Prodi reagierte prompt: Er ließ ein Statut entwerfen, das Abräumern in Zukunft die Tour vermasseln soll. Während des ersten Jahres nach Ende der Kommissionstätigkeit soll jede Beschäftigung unter strenger öffentlicher Kontrolle stehen. In Konfliktfällen à la Bangemann entscheidet ein Ethikkomitee.
Natürlich bleiben viele Fragen offen: Wer wird diesem Komitee angehören, welche Sanktionen stehen zur Verfügung, wenn sich ein Ex-Kommissar dem Schiedsspruch nicht unterwerfen will? Auch die Schamfrist von einem Jahr ist sehr kurz. Um wirklich sicherzustellen, daß Exklusivinformationen aus Brüssel nicht neuen Arbeitgebern Wettbewerbsvorteile verschaffen, sollte sich Ex-Kommissare mindestens zwei Jahre mit Dingen beschäftigen, die mit ihrem Ex-Aufgabenbereich nichts zu tun haben. Der von Prodi angeregte Fragebogen, in dem die neue Mannschaft Nebentätigkeiten, Aktienpakete und den Beruf des Ehepartners offenlegen muß, ist dagegen ohne Einschränkung zu begrüßen. Nebeneinkünfte werden verboten, Ehrenämter, die zu Interessenkonflikten führen könnten, sollen ebenfalls tabu sein.
Wer nachprüfen will, ob das neue Statut praktische Konsequenzen hat, kann ja nach dem 15. September gelegentlich einen Blick ins konservative Letzeburger Wort werfen. Dort kommentiert Kulturkommissarin Viviane Reding regelmäßig Europathemen. Laut Statut wird sie das Zukunft sein lassen müssen. Wer glaubt, der neue Chef habe nicht mehr zu bieten als bedrucktes Papier und ein entschlossenes Gesicht, mag noch eine Überraschung erleben.
Als Prodi gefragt wurde, wie er schlampige Kommissare an ihre Rücktrittsverpflichtung zu erinnern gedenke, drohte er, notfalls das Budget der betreffenden Person auf null Euro setzen. Mal sehen, was sich der pfiffige Taktiker einfallen läßt, wenn der nächste Fall Bangemann auf ihn zukommt. Daniela Weingärtner
Bericht Seite 6
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