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KommentarUnappetitlich

■ Kaufhof will Benefiz für Erdbebenopfer zur Sonntagsöffnung nutzen

Das Hickhack um die Sonntagsöffnung von Geschäften, das man vor kurzem noch als Provinzposse abtun konnte, wird langsam unappetitlich. Zunächst waren es so genannte Berlin-Souvenirs – mit grünen Aufklebern versehene Waren, die als touristischer Bedarf deklariert wurden –, die die sonntägliche Öffnung des Kaufhofes am Alex rechtfertigen sollten. Dann reichte ein Brunnenfest dafür, sich die nötige Genehmigung gemäß einer Senatsverordnung zu beschaffen. Anlass: das dreißigjährige Jubiläum eines Springbrunnens, in dessen Wasser man seine Füße besser nicht hält, höchstens mit Gummistiefeln bekleidet.

Jetzt aber ist Schluss mit lustig: Ein Benefizfest für die Erdbebenopfer soll dafür herhalten, dass der Kaufhof auch an diesem Sonntag seine Pforten den kaufwütigen Ost- und Westberlinern öffnen kann. Natürlich gibt sich der schlitzohrige Kaufhofchef Günter Biere ganz großmütig – getreu dem alten Werbemotto: Tue Gutes und sprich darüber. Nein, Profit wolle man mit der Sonntagsöffnung nicht machen. Der schlagende Beweis: Der Kaufhof spendet sage und schreibe 250.000 Mark für die Erdbebenopfer. „Erdnüsse“ hat der Chef der Deutschen Bank einmal solche Summen genannt. Zum Vergleich: Der Kaufhofkonzern hat im vergangenen Jahr bundesweit neun Milliarden Mark Umsatz erzielt.

Nein, es geht nicht um die viertel Million, die Biere auch spenden könnte, wenn sein Laden dicht bliebe – es geht um Höheres: den Ladenschluss an sich. Um den ein für alle Mal zu kippen, hat sich der Kaufhof eine – zugegebenermaßen geschickte – Kampagne ausgedacht. Im Übrigen: Für deren Publicity würden andere Unternehmen gern eine viertel Million hinblättern.

Jeden Anlass nutzt der Kaufhof, den Kunden und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass geschlossene Geschäfte nicht sein müssen. Dass die Freiheit, das Geld, das die meisten ohnehin nicht haben, zu jeder Tages- und Nachtzeit ausgeben zu können, über alles geht. Biere, der sich gern als Revoluzzer feiern lässt, hat mit dem Genossen Stalin nicht nur den Bart, sondern auch das Motto gemein: Der Zweck heiligt die Mittel. Die Erdbebenopfer haben das nicht verdient. Richard Rother

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