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■ KommentarDer Papst steigt aus  Der Beratungsschein lebt weiter

Wir bleiben drin, wir bleiben drin – ach, die warmen Worte der katholischen Bischöfe von den Kanzeln an diesem Wochenende, sie werden auch nichts mehr ändern. Natürlich werden sie weiter Konfliktberatungen für Schwangere anbieten. Aber den Schein, um den sich alles dreht, den werden die amtskirchlichen Beratungsstellen nicht mehr ausgeben dürfen.

Wenn der Papst-Brief eindeutig ausfällt, bleibt den Oberhirten nur der Ausstieg – oder die offene Rebellion gegen Rom. Ein Kirchenkampf, das ist das Letzte, was die braven Bischöfe anzetteln werden. Bis jetzt hat der amtierende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, die ultrakonservativ-autoritären Dekrete aus Rom noch immer abmildern können. So verstaubte ein apostolisches Schreiben, das die strikte Unterwerfung aller kirchlich Lehrenden unter die verschiedenen Verdikte des Papstes forderte, sage und schreibe acht Jahre lang irgendwo in den kirchlichen Amtsstuben. Der lateinische Text sei noch nicht übersetzt, meldete man auf ungeduldige Nachfragen aus Rom. Höhepunkt der scholastischen Künste der Bischofskonferenz war der Beratungsnachweis mit aufgedrucktem Abtreibungsverbot. Nun hat die bischöfliche Taktik des Wartens auf die biologische Lösung wohl ein Ende: Der Papst lebt immer noch, und ob sein Nachfolger ein Freund der deutschen Beratungsakrobatik sein wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Also müssen die Katholiken sich etwas Neues überlegen.

Das wirklich Tragische an dem Ausstieg ist, dass die katholische Konfliktberatung mit Schein wirklich das ungeborene Leben schützte. Frauen, die ihr Kind nur aus materiellen Gründen abtreiben wollten, bekamen durch die katholischen Stellen massive Unterstützung: Stiftungsgelder, Kinderutensilien, Betreuungsmöglichkeiten. Ohne die Option auf den Schein, und nur mit dieser Option ist die Beratung wirklich „ergebnisoffen“, werden diese Frauen den katholischen Beratungen fern bleiben. Das zeigt das Beispiel Fulda. Insofern ist die Initiative der Laien, eigene Beratungsstellen einzurichten – und zwar mit Schein – höchst begrüßenswert. Von einem Konferenzvorsitzenden wie Lehmann wäre dann vielleicht zu erhoffen, dass seine altbewährte Kunst einen neuen Höhepunkt findet: zum Beispiel, indem er einen Weg findet, auch diese Stellen finanziell zu unterstützen. Heide Oestreich

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