■ Kommentar: Eine Frage der Zeit Trotz ihrer Auflösung bleibt die UÇK ein Machtfaktor
Das erfolgreiche Abkommen zur Demilitarisierung – genauer: Auflösung – der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK ist eine beachtliche Leistung der internationalen Gemeinschaft und ein großer Schritt vorwärts im Friedensprozess. Zumal die Tatsache, dass die Umsetzung ohne bewaffnete Auseinandersetzungen gelang, ein Verdienst aller Beteiligten ist.
Die Auflösung der UÇK als paramilitärische Formation beseitigt nicht nur einen Faktor für Instabilität in der Region; sie schwächt die Machtbasis der politischen Clique um UÇK-Chef Hasim Thaci grundsätzlich. Vielleicht wird die internationale Gemeinschaft nun ihre Aufmerksamkeit endlich weniger Thaci und seinen Schlägertrupps als den demokratischen Kräften im Kosovo schenken.
Längerfristig jedoch lässt das Abkommen wichtige Fragen außen vor. Die Kosovo-Albaner wollen eines Tages ihren eigenen Staat, der natürlich eine Armee haben soll. Das ist Konsens im albanischen politischen Spektrum, von den Pazifisten bis zu den Hardlinern.
Im Moment genießen die internationale Gemeinschaft und besonders die USA einen Vertrauensvorschuss im Kosovo. Aber das könnte sich schnell ändern. Die heutigen Kosovo-Albaner sind in einer Atmosphäre des Widerstands aufgewachsen. Ihr naives Vertrauen in Uncle Sam wird schnell schwinden, wenn die internationale Gemeinschaft die Entwicklung hin zu einem unabhängigen Staat blokkiert. Schon jetzt dämpfen Enttäuschung und Frustration die ursprüngliche Euphorie der Kosovaren. Die endgültige Entwaffnung der UÇK, ihrer Armee, ihrer Volkshelden, könnte sich als endgültiger Wendepunkt erweisen. Zumal es kein Geheimnis ist, dass das Abkommen nur einen Bruchteil der Waffen im Kosovo betrifft: Wahrscheinlich wurden die meisten schweren Kaliber abgegeben; den Krieg aber hat die UÇK vor allem mit leichten Waffen geführt. Von denen sind im benachbarten Albanien hunderttausende im Umlauf.
Die UÇK wurde im Untergrund gegründet, sie operierte seitdem geheim. Ob auf dem Papier oder nicht: Sie wird weiter existieren. Ihr Erbe, ihre Strukturen und ihre Führer sind die Basis jeder zukünftigen Kosovo-Armee. Jeder Kosovare wird bestätigen, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Paul Hockenos
Bericht Seite 5 US-Journalist in Berlin;Deutsch von RR
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