■ Kommentar: Lernfähig? Der Internationale Währungsfonds übt überraschende Selbstkritik
Der Internationale Währungsfonds soll künftig die sozialen Folgen seiner Programme stärker berücksichtigen. Das klingt wie ein Zitat aus einer Papstpredigt, doch weit gefehlt: Der IWF selbst hat es so festgelegt. Ist der Saulus damit zum Paulus bekehrt worden?
Nein. Die Einsicht des Währungsfonds, dass seine Wirtschaftsreformen „soziale Folgen“ haben, war überfällig. Was er sich in Washington vorgenommen hat, erscheint jedoch wie die Quadratur des Kreises: Einerseits bleiben die strikten Sparauflagen der Strukturanpassungsprogramme weiterhin bestehen. Andererseits sollen die Regierungen der Schuldnerländer nebenher Armutsbekämpfung betreiben und – schnell und unbürokratisch – staatliche Gelder für die Ärmsten in der Bevölkerung lockermachen. Wie soll das gehen?
Schon einmal, in den Achzigern, wollte man die Sparauflagen, von denen der IWF seine Kredite – und jetzt auch den Schuldenerlass – abhängig macht, durch so genannte Sozialinvestitionsfonds abfedern. Die Rechnung ging jedoch nicht auf: Zwar wurden, zumindest teilweise, Gelder dieser unbürokratischen Fonds tatsächlich gezielt für den Bau von Wasserleitungen oder Latrinen für die Ärmsten ausgegeben. Von nachhaltiger Entwicklung jedoch keine Spur: Latrinen schaffen keine Arbeitsplätze, der erwartete Wachstums- und Beschäftigungsimpuls blieb aus.
Die Gläubigerstaaten sollten aus dieser Erfahrung lernen: Der Schuldenerlass darf nicht an die Bedingung von restriktiven Wirtschaftsreformen gebunden sein. Außerdem: Auch Armutsbekämpfung, so wichtig sie ist, sollte nicht zur Bedingung gemacht werden, solange nicht gleichzeitig festgelegt wird, wo das nötige Geld dafür herkommen soll. Das nämlich würde für die Schuldnerstaaten nur eine zweite Auflage bedeuten, die sie unter dem Argusauge des Währungsfonds erfüllen müssten.
Das Besondere an der diesjährigen Herbsttagung ist, dass der IWF sich zu Selbstkritik fähig zeigt – Heidemarie Wieczorek-Zeul sei Dank. Diese Selbstkritik muss aber zu konstruktiven Reformen führen. Sonst wird es wohl beim alten Motto bleiben: Hilft der Währungsfonds einem Land nicht, ist es schlimm. Hilft der Währungsfonds, ist es auch schlimm. Katharina Koufen
Bericht Seite 8
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