Kommentar: Diskussion verpasst
■ Giftliste kommt zum falschen Zeitpunkt
Dass in Berlin die LehrerInnen offiziell weniger als ihre KollegInnen in anderen Bundesländern arbeiten und die Schulen auf Lehrerstellen bezogen auch sonst besser ausgestattet sind – das ist Schulsenatorin Ingrid Stahmer seit Jahren bekannt. Dass deshalb irgendwann der Rechnungshof, Sparlady Fugmann-Heesing und das Abgeordnetenhaus darüber einen Rechenschaftsbericht haben wollten, auch das konnte sich die Schulsenatorin wahrhaftig vorstellen.
Doch passiert ist in der gesamten Legislaturperiode nichts. Man könne die Berliner Schullandschaft nicht mit anderen Bundesländern vergleichen, hieß es immer wieder aus dem Hause der Senatorin. Doch vier Monate vor der Wahl, im Juli, forderte die Senatorin ein Papier vom Landesschulrat an, in dem die „Austattungsvorsprünge“ aufgelistet werden sollten. Zum undenkbar schlechtesten Zeitpunkt, wenige Tage vor der Wahl, ist das Papier jetzt endlich fertig geworden, wird aber peinlich unter Verschluss gehalten. Denn die Summe, die der Landeschulrat ausgerechnet hat, ist beträchtlich: würden alle Punkte umgesetzt, könnten 3.000 Stellen eingespart werden. Das sind immerhin zehn Prozent der Lehrerschaft der allgemeinbildenden Schulen.
Dass diese zehn Prozent niemand komplett sparen will, weder CDU noch SPD, ist klar. Doch warum hat Ingrid Stahmer nicht schon vor ein oder zwei Jahren öffentlich darüber diskutiert, in welchen Bereichen gespart werden könne, wo es fatal wäre und wo Gelder möglicherweise umgeschichtet werden müssen? Warum hat sie die üppigere Lehrerausstattung nie öffentlich verteidigt? Argumentiert, dass die besondere Situation in der Millionenhauptstadt die Lehrerstellen oder zumindest einen Teil dieser Stellen rechtfertigt? Passiert ist rein gar nichts. Stahmer hat geschwiegen, denn sie wollte sich weder mit der CDU noch mit der Gewerkschaft anlegen.
Stattdessen entstand in der Öffentlichkeit zu Recht der Eindruck, dass es viel zu wenig LehrerInnen gebe, weil der Unterrichtsausfall in einigen Schulen mittlerweile immens ist. Das macht die ganze Sache noch viel schlimmer. Im Vergleich zu anderen Bundesländern gibt es also zu viele LehrerInnen, und diese sind auch noch extrem schlecht verwaltet und organisiert. Ingrid Stahmer wird in ihrer letzen Amtswoche dagegen aber auch nichts mehr tun können. Und auch nicht wollen. Julia Naumann
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