Kommentar: „Anruf Prof. Stuby“
■ Der Arm der Stasi in die Bremer Uni
Stasi-Akten haben etwas Faszinierendes. Mit erhebenden Titeln wie „Major“ und „Gen. Hptm“ und „Gen. Oberst“, mit Verweisen auf „HA XXII.2“ und „Leiter Referat 1“, Briefkopf und Unterschriften wie „Krenz, Hauptmann“ werden da Banalitäten weitergemeldet – streng nach Hierarchie-Stufe und Kleiderordnung. Die Anfrage wegen Sekretärin und Büro für Herrn Prof. Stuby landete natürlich nicht bei Erich Honecker. Die Anfrage zur Abstimmung über die Protestnote gegen die DDR lief über die Nachrichtendienste und deren General Markus Wolf innerhalb weniger Stunden auf Honeckers Tisch – das war Staats-Sicherheits-Angelegenheit.
Mit einer Vielzahl von Banalitäten kann man ein Netz von Abhängigkeiten schaffen, bekanntlich interessierte sich die Stasi sogar für Seitensprünge ihrer „Zielpersonen“. Wobei der Unterschied zwischen direkten Stasi-Kontakten und Kontakten der Art, wie sie über Stuby aktenkundig sind, ein relativer ist: Stubys Anruf und Information über eine Protestnote gegen die Biermann-Ausweisung im „befreundeten Umfeld“ war für den Stasi-General mehr wert als mancher Bericht eigener „Quellen“. In Ost-Berlin liefen die Fäden sowieso an den gleichen Stellen zusammen.
Fazit? Auch eine Geschichte der Bremer Universität in den 70er und 80er Jahren bleibt ohne gründliche Auswertung der Ostberliner Staats-Sicherheits-Akten unvollständig. Klaus Wolschner
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