Kommentar: Zahlungsunfähig
■ Warum der neue Mietenspiegel nur ein Zerrbild der Wirklichkeit liefert
Die gute Nachricht vorneweg: Die Mieten in Hamburg steigen etwas langsamer. Aber sie steigen auf der weiterhin nach oben offenen Mietenskala. Die Interpretation, sie würden sinken, kann nur von rhetorisch begabten Statistikern stammen, die das Grundrecht auf Wohnen unter Fallzahlen und Prozent-Kolonnen begraben.
Die schlechte Nachricht belegt der neue Hamburger Mietenspiegel selbst: Hamburgs Mieter sind am Ende ihrer Zahlungsfähigkeit angelangt. In den wichtigsten Segmenten, bei den kleinen und mittelgroßen Wohnungen ohne Luxus-Schnickschnack, widerlegen die Steigerungsraten der vergangenen Jahre das Märchen vom Ende der Wohnungsnot.
Denn viele Menschen, und nicht nur Wenigverdienende oder Familien mit Kindern, haben es längst aufgegeben, nach einer neuen oder größeren Wohnung zu suchen. Nicht, weil sie diese nicht nötig hätten, sondern weil sie diese ohnehin nicht bezahlen könnten. Die Nachfrage nach Wohnungen – in der Marktwirtschaft ja bekanntlich ein wichtiger Faktor für die Höhe der Preise – ist vor allem gesunken, weil Armut lange vor der Obdachlosigkeit beginnt.
Hinzu kommt die sogenannte zweite Miete: die Nebenkosten. An dieser Gebührenschraube, ob beim Müll oder bei der Heizölsteuer, drehen Bund und Stadt selbst seit langem kräftig. Da bleibt auch bei weiter sinkenden Atomstrompreisen – die ökologische Problematik mal ausgeblendet – kein Pfennig über.
Der Mietenspiegel soll ein Spiegelbild der Realität sein. Er ist aber nur ein Zerrbild.
Sven-Michael Veit
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