■ Kommentar: Politisch verheerend Deutsche Kurden fordern Status als nationale Minderheit
Rechtzeitig zum heutigen Tag der Menschenrechte und zum EU-Gipfel in Helsinki melden sich die kurdischen Gemeinden in Deutschland zu Wort. Ihre Forderung: Anerkennung ihrer hier zu Lande lebenden Landsleute als nationale Minderheit, vergleichbar den Sorben, Dänen, Friesen, Sinti und Roma.
Rechtlich ist dieses Begehren nicht so einfach vom Tisch zu wischen. Denn das 1998 ratifizierte Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten lässt offen, ob es nur für alteingesessene Völker mit geschlossenem Siedlungsgebiet oder aber auch für die Einwanderergruppen der Gegenwart gilt. Politisch jedoch ist die Forderung der Kurden verheerend: Sie konterkariert sämtliche Diskussionen, die augenblicklich um die Ausgestaltung einer multikulturellen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden.
Es kann nicht Aufgabe des deutschen Staates sein, die ethnische und nationale Identität von Einwanderern zu fördern, die bei ihrem freien Entschluss, sich in der Bundesrepublik niederzulassen, wussten, worauf sie sich einlassen. Einwanderer sind nicht als Kollektiv, sondern als Individuen zu betrachten, die ein Recht auf freie kulturelle und weltanschauliche Entfaltung haben. Und denen durch Einbürgerung möglichst zügig die Bürgerrechte zu verleihen sind – nicht aber Rechte als nationale Minderheit. Ein feiner, aber gewichtiger Unterschied.
Sollte sich die kurdische Forderung, die analog auch Vertreter der türkischen Gemeinschaft hin und wieder für sich erheben, durchsetzen, wäre dies der Tod der offenen Republik und das Ende jeglicher Zuwanderung. Warum sollte eine Gesellschaft Einwanderer ins Land lassen, wenn damit eine kostspielige politische Spaltung der eigenen Nation droht?
Der Vorstoß der kurdischen Verbände ist nicht nur geeignet, die Ängste vieler Deutscher vor der Konflikthaftigkeit eines Vielvölkerstaates als Ergebnis der Einwanderung zu mobilisieren. Er entspringt selbst einem vormodernen Denken, einem völkischen Geist, der identisch ist mit der Theorie des Ethnopluralismus der Neuen Rechten. Eine moderne, multikulturelle deutsche Gesellschaft, die nach einem interkulturellen Kultur- und Bildungsbegriff sucht, ist mit dieser kurdischen Gemeinde auf jeden Fall nicht zu machen. Eberhard Seidel
Bericht Seite 5
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