Kommentar: Ein dickes Plus ■ Die Steuerreform macht es zu vielen recht
Als verfrühtes Weihnachtsgeschenk hätten der Bundeskanzler und sein Finanzminister sich kaum etwas Geschickteres ausdenken können. Psychologisch gesehen. Zugleich mit den Eckpunkten der Unternehmensteuerreform präsentierten sie als Extrabescherung einen doppelten Schritt bei der Einkommensteuerreform. Damit schlagen sie rein steuertechnisch drei Fliegen mit einer Klappe: Durch die Senkung der Körperschaftsteuer sparen die Kapitalgesellschaften, durch den niedrigeren Einkommensteuertarif die Selbstständigen und Gesellschafter von Personengesellschaften, und selbst die abhängig Beschäftigten gehen nicht leer aus.
Zu denken gibt allerdings das auf den ersten Blick Beste: Der bisherige Sparkurs soll zwar beibehalten, aber nicht verschärft werden, den Unternehmen gehen ein paar Steuerprivilegien verloren, aber unter dem Strich verbleibt ihnen ein dickes Plus. Offen bleibt nur, wie das Ganze finanziert werden soll. Wird Bundesvermögen verkauft, dann gilt: Weg ist weg. Die Steuereinnahmen hingegen werden auf lange Sicht geringer bleiben.
Die Bundesregierung setzt offenbar darauf, dass der Steuerreform gelingt, was einzelne Maßnahmen nicht leisteten: dass sie die Unternehmen zu Investitionen animiert und dadurch das Wirtschaftswachstum beschleunigt. Das könnte zu einem Selbstfinanzierungseffekt führen. In der Vergangenheit hat das jedoch nicht funktioniert. Obwohl die tarifliche und erst recht die effektive Steuerbelastung in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind, ist die Wirtschaft in dieser Zeit keineswegs gleichmäßig steigend gewachsen. Ob das Mehr in den Taschen der Verbraucher das fehlende Wachstum ausgleichen und die Nachfrage kräftig ankurbeln kann, ist fraglich.
Und was ist, wenn die Wirtschaft sich nicht mit den niedrigen Steuern zufrieden gibt? Wenn sie mehr will: etwa die Verbesserung der für die Position im internationalen Wettbewerb mindestens ebenso entscheidenden öffentlichen Infrastruktur, der Förderung von Innovation, der Ausbildung? Die Bundesregierung hat die Unternehmen mit der Steuersenkung so weit aus der Verantwortung entlassen, dass die sich nicht mehr neu werden einspannen lassen, ihr selber wird das Geld fehlen. Dann könnte es sein, dass sich das schöne Geschenk als Bumerang entpuppt. Beate Willms
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