Kommentar: Aus der Traum
■ Warum der Aufstieg der HEW zur großen Nummer aufhaltsam war
Der Dämpfer war vorhersehbar, die Ernüchterung ist beträchtlich. Der Traum der HEW vom Aufstieg zur großen Nummer auf dem deutschen Strommarkt ist vorerst geplatzt, die europäischen Expansionsgelüste ihrer schwedischen Mutter Vattenfall sind arg ins Stocken geraten.
Nassforsch schwadronierten die Atomspalter aus der City Nord seit einem halben Jahr davon, mit einem gezielten Coup vom hanseatischen Lokalstromer zur energiegeladenen Großmacht mutieren zu wollen. Mit der geballten Finanzkraft des schwedischen Staatskonzerns im Rücken wollten sie wachsen durch kaufen.
Das Ziel war die Hoheit im südöstlichen Ostseeraum zwischen Schweden, Deutschland und dem Baltikum; das integrierte nordostdeutsche Vertriebsgebiet von Duvenstedt bis Dresden war nur Etappenziel. Dafür galt die Alleinherrschaft über die Berliner Bewag als wichtigstes Element. Um den Hauptstadt-Versorger herum sollten weitere ostdeutschen Energieversorger zu einem Konzern unter der Flagge der HEW gruppiert werden.
In diesem Stromopoly jedoch haben die HEW sich mächtig verkalkuliert, weil sie eine Kleinigkeit geflissentlich ignorierten. Ein Gigant wie der zweitgrößte US-Konzern Mirant mit einem Vorjahresgewinn, der den von Vattenfall und HEW zusammen achtfach überschreitet, lässt sich von neureichen Emporkömmlingen nicht mal so eben vom Markt schubsen.
Das darf nicht übersehen, wer bei den Großen mitspielen will. Die rempeln nämlich zurück.
Sven-Michael Veit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen