Kommentar: Verordnete Chancen
■ Warum der „TöchterTag“ eher ein Tag der Senatorinnen war
Da schenken zwei Senatorinnen den Töchtern dieser Stadt einen Tag an der Seite ihrer Väter, Mütter oder anderer netter Menschen. Und das noch in bester Absicht, soll es Mädchen doch den Mut geben, ihre Träume von hochfliegenden Berufen wie Pilotin, Bundeskanzlerin und Professorin zu realisieren.
Fraglos haben gestern viele Mädchen dieser Stadt einen wunderbaren Tag gehabt. Cola bei Airbus getrunken, T-Shirts geschenkt bekommen, bei der Bahn auf der Lokomotive rumgeklettert. Zwar haben sie dabei ihre Eltern vermutlich nur ganz kurz gesehen, aber sie haben sich als etwas besonderes gefühlt, im Mittelpunkt gestanden, ganz ohne dominantes Jungsgequatsche.
Die Idee des „TöchterTages“ ist auf den ersten Blick bestechend, aber hat auf den zweiten Blick nur einen kurzen Atem. Zum einen haben heute vermutlich viele Mädchen einen unschönen Wettbewerb des Wiedertreffens. Beispielsweise wenn die einen vom Tag mit Papa, dem Abteilungsleiter und die anderen vom Tag mit Papa, dem Raumpfleger erzählen. Wenn sie sich denn trauen.
Und zum anderen unternehmen Schulen heute viel, um Berufswege aufzuzeigen: Berufsfindungstage, Praktika, Firmenbesuche, Shadowings, das alles funktioniert, ohne Mädchen in eine Situation der Rechtfertigung zu bringen. Darüber hinaus wird niemand daran gehindert, Vater oder Mutter an einem Ferientag zu begleiten. Ganz ohne Verordnung. Verordnet aber war der Tag ein Tag der Show: Für einige Betriebe und zwei Senatorinnen. Sandra Wilsdorf
Bericht Seite 22
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