Kommentar zur Regierungsskrise: Rot-Rot hat zwei Krisen
Nach den Krawallen vom 1. Mai und dem Austritt der SPD-Abgeordneten Canan Bayram muss Klaus Wowereit die Parole ausgeben: alles im Griff. Dabei ist das Gegenteil der Fall.
Gerade erst hat Rot-Rot seine Halbzeitbilanz gefeiert, und nichts deutete darauf hin, dass der Senat in einer tiefen Krise steckt. Nichts? Seit Dienstag wissen wir: SPD und Linke stecken nicht in einer Krise, sondern gleich in zweien.
Schon am 1. Mai hatte der Linken-Finanzexperte Carl Wechselberg das Handtuch geworfen - aus Frust über den Lafontaine-Populismus auch im Berliner Landesverband. Die gleichzeitig entflammte Diskussion über die Nähe der Linkspartei zur autonomen Szene offenbarte: Parteichef Klaus Lederer und Fraktionschefin Carola Bluhm haben Mühe, den Laden zusammenzuhalten. Offenbar sind nach acht Jahren Rot-Rot die zentrifugalen Kräfte größer als der Wille zum gemeinsamen Erfolg.
Hausgemacht ist auch die Krise der SPD. Der Ausbau der A 100 und zuletzt der Vergewaltigungsvergleich von Innensenator Körting: Es war nicht ein Grund, der Canan Bayram bewog, zu den Grünen zu wechseln. Den Ausschlag gab eine SPD, der das pragmatische Regieren wichtiger ist als das Festhalten an Grundsätzen. So war der Schritt wohl nur eine Frage der Zeit.
Für Klaus Wowereit kommen beide Ereignisse zur Unzeit. Unmittelbar nach den Krawallen vom 1. Mai muss er nun die Parole ausgeben: alles im Griff. Dabei ist klar, dass das Gegenteil der Fall ist. Selbst wenn der rot-roten Koalition noch eine Mehrheit von einer Stimme bleibt: Die Selbstauflösungstendenzen in beiden Regierungsparteien wiegen schwerer als eine klassische Krise zwischen zwei Parteien.
Foto: Amélie Losier
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