Kommentar zur RBB-Intendantenwahl: Sehen die was, was wir nicht sehen?
Am Donnerstag wird der Nachfolger von RBB-Intendantin Dagmar Reim gewählt. Auf ihn oder sie warten große Aufgaben – denn der Anstalt fehlt es an Strahlkraft.
Ende Juni tritt Intendantin Dagmar Reim ab. Sie will das so. 13 Jahre sind genug. Und, ja, sie hat einen ordentlichen Job gemacht. Als sie gewählt wurde, war der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) nicht mehr als eine Idee. Zwei defizitäre Rundfunkanstalten sollten fusionieren: Aus SFB und ORB sollte der RBB werden. Reim, erste Frau an der Spitze einer Rundfunkanstalt in Deutschland, gab am 1. Mai 2003 den Startschuss. Und zumindest die Finanzen hat sie seitdem in den Griff bekommen.
Allerdings fehlt es dem RBB bis heute an Strahlkraft. Er ist nie das geworden, was eine andere Mehrländeranstalt wie der Norddeutsche Rundfunk für Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und sogar für Mecklenburg-Vorpommern ist: identitätsstiftend.
Im Gegenteil. Im RBB spiegelt sich das, was wohl auch viele in Berlin und Brandenburg fühlen: Wir sind nicht der Osten, wir sind der Westen – und umgekehrt. Wir sind weder Ost noch West, sondern Hauptstadt. Wir sind nicht die Hauptstadt, wir sind Brandenburg … Die Abgrenzung scheint häufig stärker (und wichtiger) als die Gemeinsamkeit. Die Pseudometropolregionen Berlin und Brandenburg verbindet wenig bis nichts – auch kein Ulli Zelle.
Deshalb schafft es der RBB nicht, mit seinem Fernsehprogramm ein breiteres Publikum anzusprechen: Im eigenen Sendegebiet erreicht er nur 6 Prozent Marktanteil. Kein anderes drittes Programm läuft so schlecht. Zum Vergleich: Der Mitteldeutsche Rundfunk holt in seinen drei Ländern 9, der NDR fast 8 Prozent Quote. Bundesweit spielt der RBB – trotz Hauptstadtdasein – quasi gar keine Rolle.
Das zu ändern dürfte die mit Abstand schwierigste Aufgabe für den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Reim werden. Am heutigen Donnerstag wird gewählt: ZDF-Mann Theo Koll und NDR-Frau Patricia Schlesinger stehen zur Wahl. Der eine kommt aus dem Bergischen Land, die andere aus der Nähe von Hannover. Vielleicht sehen die ja irgendwas, was wir nicht sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!