piwik no script img

Kommentar zur EthikkommissionFalsche Fragen

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Die Ethikkommission stellt sich die falschen Fragen. Zu diskutieren, ob bei der Atomenergie zu viel Macht in die Hände einzelner Konzerne gelegt wurde, ist absurd.

N un hat sie also getagt, die "Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung". Vielleicht wäre ein ehrlicherer Titel: "Ethikkommission für eine verunsicherte Kanzlerin". Richtig an der inhaltlichen Idee der Kommission ist, dass der Umbau des Energiesystems sehr viel ändern wird und zunächst vor allem kostet.

Der Ausblick ist allerdings grandios: Konsequent wie kein Staat macht sich Deutschland von der unabsehbaren Preisentwicklung fossiler Rohstoffe und den Risiken der Kernenergie unabhängig. Das Land investiert in seine Zukunft, die Rendite fahren die ein, die später die älter werdende Gesellschaft alimentieren müssen. Die Energiewende ist die beste Rente. Das allerdings muss die Kanzlerin als Vision vermitteln - und nicht die Verantwortung an eine Kommission auslagern.

Der zweite Fehler liegt in den Fragen: Ist es ethisch, Atomenergie zu importieren? Läuft man Gefahr, andere Risiken durch einen schnelleren Umstieg zu erhöhen - zum Beispiel mehr CO2, weil kurzfristig mehr Kohlestrom nötig sein könnte? Die Frage impliziert bereits falsche Grundannahmen, weil sie suggeriert, ebendies sei langfristig nötig, was Blödsinn ist. Die Frage sollte lauten: Ist der massive Einfluss, den die fossile und atomare Energiewirtschaft seit Jahren auf die Politik hat, ethisch zu vertreten? Und wie kann man ihn zurückschrauben?

Bild: taz
Ingo Arzt

INGO ARZT ist Redakteur im Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.

Der Vorsitzende der Kommission, Klaus Töpfer, sprach jetzt von einer "Art industrielle Revolution". Stimmt, sie hat die Chance, die Fehler der ersten industriellen Revolution rückgängig zu machen: Die fossile Energieerzeugung hat zu unzähligen Kriegen geführt, die atomare hat die Verbreitung von Kernwaffen befördert und zu viel Macht in die Hände einzelner Konzerne ohne soziale Verantwortung gelegt. Darüber zu diskutieren, ob es ethisch ist, diesen Zustand zu ändern, ist eigentlich ziemlich absurd.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • W
    Waluk

    "...die später die älter werdende Gesellschaft alimentieren müssen." Nur mal so, werter Autor: wer hat Sie ganz persönlich denn alimentiert, hat die öffentlichen Angebote bezahlt, die sie von der Stadtteilbibliothek bis zur Bahn, evtl. vom Kindergarten bis zur Uni bis.... zur Parkbank, auf der Sie vermutlich ab und zu sitzen, bis zum Teer der Rudi-Dutschke-Straße, auf der Sie vermutliche gehen....? Na?

    Also, vielleicht gehts auch ohne die Übernahme derart plumper neoliberaler Deutungsversuche über diesen vielgeschmähten und doch (aus)-genutzten Sozialstaat?

  • V
    vic

    Und kann man es ethisch nennen, wenn die Kanzlerin derart wichtige Sofort- und Zukunftsfragen in Kommisionen auslagert? Noch dazu in dubiose wie diese?

  • H
    Hofmann,M

    Na Klar! Und Morgen besorgen wir uns alle grüne Pillen und leben dann von Luft und Liebe!!!

  • H
    hto

    "Die Frage sollte lauten: Ist der massive Einfluss, den die fossile und atomare Energiewirtschaft seit Jahren auf die Politik hat, ethisch zu vertreten?"

     

    - menschliche "Gemeinschaft" bleibt, in konfuionierender Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll, massiv erpressbar, wenn sie die Ursache (der "freiheitliche" Wettbewerb) aller Probleme unseres "Zusammenlebens" wie ein Krebsgeschwür nicht hören, sehen, sprechen will!?

     

    Die wichtigste Frage vor allen sollte lauten: Wie treten wir KOMPROMISSLOS aus dem stumpfsinnigen und menschenverachtenden Wahnsinn des "freiheitlichen" Wettbewerbs aus und werden wirklich-wahrhaftig vernünftig?

     

    Diese Welt- und "Werteordnung" braucht ein unkorrumpierbares MENSCHENRECHT auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus MENSCHENWÜRDIG resultierenden Konsequenzen / Möglichkeiten!?

  • U
    untröstlich

    Die Senioren, die mit der Ethik und der moralischen Untermauerung der Energiewende betraut wurden, sind die, die als politische Entscheidungsträger damals versagt haben - was die Energiewende anbetrifft.