Kommentar zur Anti-Nazi-Demo: Nazis nicht vor Protest schützen
Wenn Neonazis ihr Gedankengut mit Läden in die Öffentlichkeit tragen, müssen sie auch ertragen, dass die Öffentlichkeit darauf reagiert.
J eder Mensch ist vor dem Grundgesetz gleich. Das gilt für den Regierenden Bürgermeister wie für den NPD-Vorsitzenden. Und das ist erstmal richtig so. Als vor zwei Wochen Flugroutenprotestler vor der Wohnung von Klaus Wowereit demonstrierten wollten, verweigerte dies die Versammlungsbehörde mit Hinweis auf die Privatsphäre des SPD-Oberen. Von daher scheint konsequent, dass die Polizei nun auch einer Anti-Nazi-Demo untersagt, am Zuhause des Berliner NPD-Chefs Sebastian Schmidtke in Schöneweide vorbeizuprotestieren. So funktioniert eben Rechtstaat.
Auf der anderen Seite weisen aber auch die Antifaschisten auf einen richtigen Punkt hin: Eine Demonstration gegen eine rechte Kneipe und eine Straße, die auch mit anderen Geschäften zum – bisweilen gewalttätigen – Tummelpunkt der Berliner Neonazi-Szene avanciert, macht wenig Sinn, wenn sie weit abseits dieser Protestobjekte liegt.
Gericht entscheidet
Warum aber muss das eine das andere ausschließen? Warum nicht einfach nur auf eine Kundgebung vor dem Haus von Schmidtke verzichten? Genau dies ist ja bereits in Vorjahren geschehen – friedlich. Getrommelt werden könnte dann vor der Nazi-Kneipe und Schmidtkes Militärladen, der ebenfalls in der Straße ansässig ist. Denn wenn Neonazis ihr Gedankengut und ihre Devotionalien mit Ladengeschäften in die Öffentlichkeit tragen, müssen sie auch ertragen, dass die Öffentlichkeit darauf reagiert. Ein Recht, missliebigen Gegenprotest abzuwimmeln, gibt es nicht. Es liegt nun in der Hand der Gerichte, zu entscheiden, ob diese Öffentlichkeit möglich ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier