Kommentar zum UN-Migrationspakt: Ein Mittel der Diplomatie
Auch die Menschenrechts-Charta ist ein unverbindliches Dokument – das aber in der Sache überzeugte. Dem Migrationspakt ist dasselbe zu wünschen.
Z ehn Minuten gemeinsamer Applaus, dann war der UN-Migrationspakt angenommen. Schon das Prozedere in Marrakesch machte deutlich, dass hier kein verbindlicher Vertrag unterzeichnet wurde, vielmehr wurde eine unverbindliche gemeinsame Erklärung per Akklamation beschlossen. Die Bundesregierung hat es in den letzten Wochen oft genug wiederholt. Der Migrationspakt ist nicht verbindlich. Und wer es nachlesen will: Unter Punkt 5 heißt es: „Dieser Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar.“
Warum aber schließt man überhaupt so einen Pakt, wenn er keine einklagbaren Rechte und Pflichte beinhaltet? Ganz einfach: Es handelt sich hier um ein Mittel der Diplomatie. Die Staaten diskutieren, verhandeln – und einigen sich am Ende auf eine gemeinsame politische Position. Sie versprechen, dass sie sich für diese Ziele einsetzen. Wenn es heißt, „wir verpflichten uns“, ist eine politische Verpflichtung gemeint. Und alle vier Jahre werden die Staaten wieder zusammenkommen und prüfen, ob man in der Sache weitergekommen ist.
Leider sind die Inhalte nicht überall selbstverständlich: dass Migranten nicht ausgebeutet werden sollen, dass sie Zugang zur Justiz haben, dass ihre Qualifikationen aus dem Herkunftsland anerkannt werden und sie sicher Geld nach Hause schicken können. Und so weiter. Von offenen Grenzen ist, wohlgemerkt, nicht die Rede, aber dafür vom Kampf gegen Schleuser und Menschenhändler und von einem sicheren Grenzmanagement. Es braucht schon eine Lügenpartei wie die AfD, um hier ein „verstecktes Umsiedlungsprogramm für Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge“ zu sehen.
Welche politischen Wirkungen der Migrationspakt in Zukunft haben wird, ist völlig offen. Die Gegner haben ihm jetzt immerhin zu einer gewissen Bekanntheit verholfen. In Deutschland hätte es dem Pakt aber gutgetan, wenn die Regierung die Gewährung von Rechten an Migranten als selbstverständlich verteidigt hätte, statt immer nur zu betonen, dass alles nicht verbindlich gemeint ist.
Vielleicht werden tatsächlich hier und da deutsche Gerichte in Zweifelsfällen den Migrationspakt zitieren, um zugunsten von Migranten zu entscheiden. Das wäre dann aber die autonome Entscheidung deutscher Richter, die auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zitieren könnten. Letztere ist bis heute auch nur eine unverbindliche UN-Resolution. Sie hat einfach in der Sache überzeugt. Und das ist auch dem Migrationspakt zu wünschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“