Kommentar zum Schulessen: Arme, arme Eltern
Wenn die Verwaltung etwas verbockt, sollen es die Eltern richten. Das kann nicht sein.
M hhm, lecker: Richtig gut soll das Essen an Berliner Schulen künftig werden, mit Bio- und Regionalanteil, am besten in jeder Schule selbst frisch gekocht und in ansprechenden Räumen auf die hübsch gedeckten Tische gebracht.
So weit die Theorie. Oder besser: der Wunschtraum. Die Wirklichkeit sieht wie so oft an den Schulen anders aus – wie der Skandal um virenverseuchtes Großcatereressen vor den Herbstferien eindrücklich bewies. Dass Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) nun ein Konzept präsentiert, um dem Wunschtraum wenigstens bei der Essensqualität näherzukommen, ist löblich. Dass sie dabei entstehende Mehrkosten aber vor allem den Eltern aufzudrücken versucht, ist es weniger.
Es ist schon ein Ding, was Eltern alles richten sollen, wenn Schule und ihre Verwaltung es verbockt haben. Wir sparen Lehrkräfte – wenn Kinder dann nicht mehr mitkommen, sind ihre bildungsfernen Eltern wohl schuld. Wir wollen Ganztagsschule – wenn Kinder da aber auch mittagessen wollen, sollen das mal schön die Eltern zahlen. Dabei haben die Eltern noch Glück, die ihre Kinder an Ganztagsgrundschulen untergebracht bekommen: Denn nur dort wird das Mittagessen überhaupt subventioniert. Für OberschülerInnen oder Kinder an Halbtagsgrundschulen müssen Eltern den vollen Preis zahlen: bald über 60 Euro im Monat.
Das mag ein gerechtfertigter Preis für gutes Mittagessen sein. Gerechtfertigt ist aber nicht, die Kosten für das Essen größtenteils den Eltern aufzubürden. Wer gute Schulen, gut gebildete Kinder will, muss auch die Verantwortung dafür übernehmen und das Nötige dafür bezahlen. Dass die Politik sich dazu immer noch nicht wirklich durchringen kann, lässt erkennen, dass das Thema Bildung noch lange nicht ernst genug genommen wird.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott