Kommentar zum SPD-Entscheid: Wowereit ganz schnell vergessen
Der SPD-Mitgliederentscheid beginnt, ein Favorit fehlt. Die Genossen dürfen jetzt nicht den Fehler machen, die drei Kandidaten an ihrem Vorgänger zu messen.
N un wird alles ganz fix gehen. Eigentlich war seit der Abgeordnetenhauswahl 2011 gerätselt worden, wer Klaus Wowereit im Amt des Regierenden Bürgermeisters beerben wird. Allerdings ohne Ergebnis: Kein Kandidat schien makellos. Innerhalb von höchstens acht Wochen darf jetzt die 17.000 Menschen starke SPD-Basis den so lange schwelenden parteiinternen Wettstreit endgültig entscheiden.
Eine spannende wie schwierige Aufgabe. Unter den drei Bewerbern Raed Saleh, Jan Stöß und Michael Müller gibt es keinen ausgemachten Favoriten. Keiner sticht besonders hervor; außerdem ist völlig unberechenbar, wie die SPD-Mitglieder abstimmen werden, da ein Großteil von ihnen in der Partei nicht aktiv ist.
Zudem müssen die Genossen in gewisser Hinsicht ihr Hirn ausschalten – was tatsächlich schwerer ist, als mancher meint. Denn sie dürfen den potenziellen Nachfolger nicht an Wowereits Profil und Bilanz messen. Jener war schlicht zur richtigen Zeit in der richtigen Position und prägte das Amt mit seinem ganz eigenen Stil. Noch dazu hat er einen für die Nachfolgekandidaten unaufholbaren Amtsbonus: Klar ist keiner von ihnen so bekannt und deswegen einschätzbar wie der „Und das ist auch gut so“-Mann.
Die SPD-Mitglieder müssen Klaus Wowereit also ganz schnell vergessen. Das hilft sicher dabei, den Blick nach vorne zu richten und zu fragen, welche Herausforderungen in der Zukunft auf die Stadt zukommen. Falls das nicht reicht für eine Entscheidung, sei angemerkt: Der nächste Regierende muss nicht unbedingt wieder 13 Jahre an der Macht bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau