Kommentar zum Raucherurteil: Plädoyer für die Selbstbestimmung
qualmende kneipen
Nun darf also weiter gepafft werden - zumindest in kleinen Kneipen. Das mögen die einen als Niederlage der Gesundheitspolitiker bedauern und die anderen als Sieg der Tabaklobby bejubeln. In erster Linie aber ist das Karlsruher Urteil ein Plädoyer für die Eigenverantwortung von Gastwirten und Kunden.
Denn die Entscheidung der Verfassungsrichter lässt alle Optionen offen. Raucher können an ausgewählten Orten weiter ihrem Laster frönen. Nichtraucher bekommen dennoch ausreichend Gelegenheiten geboten, bei denen sie ohne den gesundheitsschädlichen und lästigen Rauch einen netten Abend verbringen können. Das bleibt der entscheidende Fortschritt. Und wenn Nichtraucher und Raucher gemeinsam ausgehen, dann müssen sie sich eben darüber einig werden, wo sie sich treffen wollen.
Auch die Gastwirte haben nun die Wahl. Sie müssen sich künftig entscheiden, mit wem sie besser wirtschaften können: mit den Rauchern, die ihre Bierchen zischen - nachdem sie sich andernorts gesättigt haben -, oder mit den Trinkern, die beim gepflegten Bier lieber auf die Zigarette als auf die kleinen, aber umsatzfördernden Speisen verzichten wollen. Angebot und Nachfrage werden die Kneipenlandschaft prägen.
Es sei denn, die Gesundheitsfans raffen sich nochmals auf und setzen ein Komplettverbot in allen Gaststätten durch. Das aber wäre schade. Denn es ignoriert den kulturellen Fortschritt, den die Verbotsdebatte schon erzielt hat. Nicht nur in per Gesetz rauchfreien Restaurants gilt die Zigarette heute als Fauxpas, auch bei privaten Partys ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, dass Raucher klaglos vor die Tür treten. Einen größeren Erfolg hätte die Nichtraucherlobby nicht erzielen können.
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