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Kommentar zum Polizeieinsatz gegen RadfahrerFaust statt Fingerspitze

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Im Fall Andrew P. mag die Polizei juristisch korrekt gehandelt haben. Ein Rechtfertigung für ihr brutales Vorgehen ist das aber noch lange nicht.

Vorab nur so viel: Nein, die Berliner Polizei ist längst keine bloße Prügeltruppe mehr. Wer das behauptet, ist blind. Und ja, Polizisten ist es durchaus erlaubt, im Vollzug Gewalt einzusetzen. Denn ohne gelegentliche Härte stünden sie komplett hilflos da. Tatsächlich muss man in jedem Einzelfall genau hingucken. Das aber darf und muss man auch von den Beamten verlangen. Der Fall Andrew P. zeigt jedoch mehr als offensichtlich, wie sehr die Polizei immer noch übertreiben kann. Sie hat die Faust walten lassen, wo Fingerspitzengefühl dringend gefragt gewesen wäre.

Es mag ja sein, dass die Beamten juristisch korrekt handelten. Sie haben eine Person verfolgt, die sich nicht an ihre Anweisungen gehalten hat. Aber kann es irgendeine Rechtfertigung dafür gegen, dass jemand, der vielleicht ohne Licht radelt, am Ende mit vier Platzwunden am Kopf ins Krankenhaus muss? Oder genauer: Darf es irgendeine Rechtfertigung dafür geben? Nein, nein und nochmals nein!

Jedes andere Vorgehen hat zudem langfristige Konsequenzen. Das verdeutlicht die Vorgeschichte des aktuellen Falls. Vor drei Jahren war Andrew P. für ein Fahrraddieb gehalten und geschlagen worden. Statt sich nach Aufklärung des Irrtums bei ihm zu entschuldigen, verklagte die Polizei den Mann auf Schadenersatz, weil er mit seinem Blut die Kleidung von Beamten bekleckert hatte. Für solch ein perfides Vorgehen kann man sich nur schämen.

Eine Polizei, die sich dermaßen unsensibel gegenüber dem Bürger verhält, muss sich nicht wundern, dass der beim nächsten Mal versucht, vor ihr wegzulaufen. Eine Polizei, die auf den verängstigten Bürger wiederum nur mit dem Schlagstock und Anzeigen wegen Widerstand reagieren kann, macht etwas sehr Grundsätzliches falsch.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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2 Kommentare

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  • FD
    Frank Dinse

    Ich kenne den Geschädigten persönlich und kann nur sagen, dass die Behauptungen, er hätte sich mit den Polizisten geschlagen, einfach lächerlich ist. Denke mal eher, dass es Miniaturrambos in grüner Uniform waren, die sich austoben wollten. Ich kann nur hoffen, dass diese Beamten nicht mehr auf die Menschheit losgelassen werden. Sie sind eine Schande für die Polizei!!!

  • RF
    Rolf Fendler

    Guten Tag! Es inzwischen fast 40 Jahre her, dass ich miterlebte, wie ein Hollaender in Berlin von der Polizei zum Fahrradschieben verdonnert wurde, weil er an seinem Fahrrad nur eine Bremse hatte. Das Fahrrad entsprach den hollaendischen Vorschriften, nicht jedoch den deutschen. Das Argument, dass er kaum fuer seinen Deutschlandauffenthalt sein Fahrrad umbauen lassen muesse, Autofahrer aus Holland muessen dies schliesslich auch nicht, zog nicht.

     

    Inzwischen lebe ich selbst im Ausland und muss mir fast taeglich Saetze anhoeren wie: "Ich war einmal in Deutschland; NIE wieder!" Bei meinen Reisen nach Deutschland erlebe ich es auch selbst immer wieder: Die Deutsche Polizei [und Grenzkontrollen] tun alles um Touristen aus Deutschland zu verjagen. Offentsichtlich gibt es in Deutschland noch nicht genug Arbeitslose.

     

    Das es in Berlin wieder einen europaeischen Auslaender erwischt hat, zeigt, in Berlin hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geaendert. Schade.

     

    Vielleicht sollte man der Berliner Polizei etwas Nachhilfeunterricht im benehmen geben. Allerdings ob das nuetzt? Vielleicht waere es besser alle Polizisten auf Hartzt 4 zu versetzen.

     

    Rolf Fendler