Kommentar zum Eurorettungsschirm: Karlsruhe gefährdet den Euro

Das Bundesverfassungsgericht torpediert den Rettungsschirm EFSF. Es bleibt nur eine Institution übrig, die das Vertrauen in den Euro retten kann: die Europäische Zentralbank.

Was ist Geld? Diese Frage ist nicht so trivial, wie sie klingt. Die diversen Geldtheorien füllen Regale in jeder Unibibliothek. Aber so viel ist klar: Geld ist ein virtuelles Gut, das keinen Wert in sich trägt, aber das Versprechen bedeutet, dass es sich in Ware verwandeln lässt. Geld ist ein kulturelles Phänomen - und existiert nur so lange, wie die Menschen ihm vertrauen. Ohne Vertrauen gibt es kein funktionierendes Geld.

Diesen fundamentalen Zusammenhang scheint das Bundesverfassungsgericht nicht zu begreifen. Ohne jeden Selbstzweifel ist es ständig dabei, die Mitspracherechte des Parlaments auszuweiten, wenn es um den europäischen Rettungsschirm EFSF geht. Jede wichtige Hilfsmaßnahme für ein Euroland muss einzeln durch den Bundestag. Für das Bundesverfassungsgericht ist dies ein Gebot der Demokratie und des "Budgetrechts".

Dabei übersehen die Richter jedoch, dass es das Vertrauen in den Euro erschüttert, wenn die Rettungsmaßnahmen immer wieder neu genehmigt werden müssen. Denn die Finanzinvestoren wissen nie, wie lange der Bundestag zustimmt. Also ziehen sie sich aus Italien und Spanien zurück, obwohl es den EU-Rettungsschirm gibt. Am Ende sind viele Eurostaaten pleite und der Euro obsolet. Die Verfassungsrichter verteidigen die Demokratie - und zerstören die gemeinsame Währung.

Man kann es auch so sagen: Geld und Demokratie vertragen sich nicht unbedingt. Deswegen gibt es ja die unabhängigen Zentralbanken, die einer parlamentarischen Einflussnahme entzogen sind.

Das Bundesverfassungsgericht wird mit seinen ständigen Interventionen ein ungewollt paradoxes Ergebnis erzielen. Da die Richter den Rettungsschirm EFSF permanent torpedieren, wird nur noch eine Institution übrig bleiben, die das Vertrauen in den Euro retten kann: die Europäische Zentralbank. Sie wird Staatsanleihen aufkaufen - und niemanden fragen. Auch nicht die Verfassungsrichter.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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