Kommentar zum CSU-Parteitag: Gesundgeschrumpft
Aus neun Monaten Komödiantenstadel geht die CSU fidel hervor. Beckstein und Huber bilden ein Traumpaar für Kabarettisten - aber das macht der bayerischen Unionspartei nichts aus.
LUKAS WALLRAFF ist Parlamentskorrespondent, CSU-Experte und Bayer.
Es wird ab sofort noch leichter werden, die CSU zu verspotten. Ihre beiden neuen Führungskräfte, die nun die Nachfolge von Edmund Stoiber antreten, wirken aus Berliner Sicht provinziell. Mit Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein vertreten Bayerns Interessen künftig zwei Landespolitiker nahe dem Rentenalter, die mit jeweils starkem Dialekt, tolpatschigem Auftreten und geringer Körpergröße ein Traumpaar für Kabarettisten bilden. Wenn die beiden aus München die Kanzlerin kritisieren, werden das in der Hauptstadt viele als "Zwergenaufstand" abtun. Doch wer die CSU deshalb schon als bundespolitisch unbedeutend abschreibt, täuscht sich.
An den Machtverhältnissen ändert es nichts, dass Angela Merkel zurzeit obenauf ist. Selten hat man die CDU-Chefin so souverän und humorvoll erlebt wie auf dem CSU-Parteitag. Das ist kein Wunder: Während Merkel auf ein Jahr mit EU-Präsidentschaft und G-8-Gipfel zurückblickt, mussten ihre bayerischen Kollegen einen langen, peinlichen Machtkampf überstehen. Beckstein brachte es bis zuletzt nicht fertig, auf die Provokationen der ausgeflippten Landrätin Gabriele Pauli angemessen, also cool zu reagieren. Huber setzte sich nur durch, weil Rivale Horst Seehofer durch seine Sexaffäre geschwächt war. Programmatisch blieben die Neuen bei einem öden "Weiter so". Ein schwungvoller Neuanfang sieht anders aus. Die CSU hat trotzdem fast nichts zu befürchten. Im Gegenteil.
Die wahre Stärke der CSU zeigt sich in ihren größten Krisen. Nach neun Monaten Komödiantenstadel steht sie in den Umfragen so gut da wie eh und je. Die SPD ist keine Konkurrenz, weil deren stärkste Leute wie Münchens OB Christian Ude gar nicht erst antreten. So kann die CSU ihr Personal fast beliebig austauschen. Stoiber musste nicht wegen politischer Fehler gehen, sondern weil die Partei seinen Größenwahn nicht mehr ertrug. Die Erleichterung ist spürbar. Mit Beckstein und Huber kann sich die Parteibasis viel besser identifizieren. So gesehen, hat sich die CSU gesundgeschrumpft. Sie wird motivierter in die nächsten Wahlen gehen - und mit Siegen auch ihren Einfluss in Berlin sichern. Wenn es um die Machtverteilung geht, zählen Stimmen, nicht Stilnoten. LUKAS WALLRAFF
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