Kommentar zum CDU-Integrationspapier: Die CDU vermasselt ihre Chance
Mit einem Bekenntnis zum Doppelpass hätte Berlins CDU tatsächlich etwas politisch Großes tun können.
Es ist doch eigentlich praktisch, dass gerade Emine Demirbüken, die einzige türkeistämmige Abgeordnete der Berliner CDU, zwei Pässe hat. So kann die Deutschtürkin ihren Parteifreunden direkt vor deren Nase beweisen, wie loyal und in der deutschen Politik engagiert man mit zwei Staatsangehörigkeiten sein kann. Theoretisch.
Praktisch scheint das bei den Christdemokraten aber nicht zu klappen: Sie lehnen die doppelte Staatsbürgerschaft in ihrem Integrationskonzept weiterhin prinzipiell ab. Ein Grund lautet: Zuwanderer und die deutsche Innenpolitik seien so einer politischen Einflussnahme durch die Regierungen der Herkunftsländer zu entziehen. "Man kann nur einem Heimatland als Staatsbürger dienen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf dem kleinen Parteitag. Kein Wunder, dass Demirbüken auf dem Podium schnaubte wie Zeus, als er in der Gestalt eines taurischen Stiers Europa erobern wollte.
Dabei hätte die Berliner CDU mit einem Bekenntnis zur Doppelstaatsbürgerschaft tatsächlich einmal politisch etwas Großes in Bewegung setzen können. Sie hätte ermöglicht, der verhärteten Integrationsdebatte neue Wege zu öffnen.
Doch nun hat sie mit ihrem Integrationspapier nichts weiter getan, als der mit Islamkonferenz und Integrationsgipfel in der Debatte um Einwanderung weit vorausgeeilten Bundes-CDU nachzulaufen und sich brav wieder hintenanzustellen. Dass die Berliner CDU meint, sich selbst dafür loben zu dürfen, mit ihrem Integrationspapier 2010 die Einwanderer nun endlich willkommen zu heißen, die seit einem halben Jahrhundert hier sind, lässt einen schlucken. Andererseits: Lieber spät als nie.
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