Kommentar zu Volksentscheiden: Zwei Schritte vor, einer zurück
Die Entscheidung der Koalition, in Zukunft für mehr Transparenz bei den Volksentscheid-Finanzierern zu sorgen, geht in die richtige Richtung.
Der Handlungsbedarf war unübersehbar. Bei den beiden großen Volksentscheiden über Tempelhof und den Religionsunterreicht wurden die Kampagnen offensichtlich mit viel Geld unterstützt. Und man hätte gern gewusst, wer die Spender waren. Denn es ist durchaus erhellend, zu wissen, mit wem man sich bei einer Abstimmung gemein macht.
Insofern ist es ein großer Schritt nach vorn, wenn die rot-rote Novelle des Volksabstimmungsgesetztes vorsieht, dass die Namen der Geldgeber künftig bereits veröffentlicht werden müssen, wenn diese mehr als 5.000 Euro spenden. Und nicht erst bei Summen über 50.000 Euro wie bisher. Dass die Spender aber samt Adresse im Internet veröffentlicht werden sollen, schießt weit übers Ziel hinaus. In Zeiten, in denen kein vernünftiger Mensch mehr seine Adresse im Telefonbuch stehen lässt, sollte klar sein, dass die Privatsphäre ein hohes Gut ist. Auch und gerade, wenn sich jemand mit großen Geldbeträgen engagiert. Da wird der Landesdatenschützer der Koalition hoffentlich noch gehörig auf die Finger klopfen.
Lobenswert hingegen ist, dass Rot-Rot die Zusammenlegung von Volksentscheiden mit Wahlen weiter ablehnt. Denn bei Volksabstimmungen geht es um Sachfragen. Die müssen nicht alle interessieren. Deshalb sind die Beteilungsquoren ja so niedrig. Würden sie zwangsweise mit Parlamentswahlen zusammengelegt, kämen zwar mehr Bürger, es wären aber jene, denen das Thema sonst egal ist. Zudem wäre die Abstimmungsentscheidung noch mehr an eine Parteienpräferenz gekoppelt als bisher. Das aber würde einer sachgerechten Entscheidungsfindung eher schaden als nutzen.
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