Kommentar zu Molli-Prozess: Rechtsstaat muss attraktiv sein
Lange U-Haft für junge Täter ist nicht unbedingt angemessen. Völlig unakzeptabel ist, wenn Richter den Eindruck hinterlassen, sie stünden so sehr unter Druck, dass sie auch mal den Flaschen vor Gericht bringen.
Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren ist Matti Z. freigesprochen worden. Dem jungen Antifaschisten war vorgeworfen worden, zwei Neonazis schwer verletzt zu haben. Drei Monate saß er in Untersuchungshaft, bis die Zweifel an der Anklage nicht mehr zu übersehen waren. Anfang November dann wurde Alexandra R. vom Vorwurf, Autos angesteckt zu haben, freigesprochen. Sie hatte zuvor fünfeinhalb Monate hinter Gittern gesessen. Nun stehen auch die beiden Schüler Yunus K. und Rigo B. vor einer Absolution - nach sieben Monaten im Knast. Drei Pleiten für die Ankläger bei Prozessen gegen vermeintliche Täter aus dem linken Spektrum. Das klingt nach einem strukturellem Problem.
Selbstverständlich darf es bei der Schwere der Vorwürfe zu einem Prozess kommen - wenn sie sich denn annähernd belegen lassen. Nicht einmal ein Freispruch am Ende kann die Notwendigkeit eines Verfahrens in Frage stellen. Hinterfragen aber muss man schon, ob die Länge der U-Haft bei solch jungen Tätern, zumal bei wachsenden Zweifeln, angemessen ist. Und völlig unakzeptabel ist, wenn die Ermittler den Eindruck hinterlassen, sie stünden so sehr Druck, dass sie auch mal einen Falschen vor Gericht bringen.
Dieser Druck kommt nicht nur von manchen Medien. Selbst der von den Konservativen angefeuerte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) setzt auf abschreckende Urteile. Tatsächlich können sie potenzielle Nachahmer abhalten - wenn sie gerecht sind. Doch ein offensichtlich überhartes Vorgehen wird das in der linken Szene eh schon erschütterte Vertrauen in den Staat nur weiter untergraben. Ein Rechtsstaat muss eine Attraktion für alle sein, kein Monster.
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