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Kommentar zu Merkels WahlprogrammUnseriöse Versprechen

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Merkels Wahlprogramm lautet: nur immer weiter so! Ihre Art, Politik zu verwalten, trifft aber auch auf Zustimmung. Dabei wird die große Koalition immer wahrscheinlicher.

Aussichten denkbar nicht so gut. Bild: dpa

D as Regierungsprogramm, mit dem Angela Merkel wieder Kanzlerin werden will, hat 125 Seiten, doch im Grunde geht es um ein einziges Versprechen: Alles bleibt, wie es ist. Damit bedient Merkel in einer Zeit, in der die Eurokrise nur vermeintlich eingeschlafen ist, eine sehr deutsche Befindlichkeit. Hierzulande ist vielen Menschen allzuviel Veränderung sowieso schon suspekt, und das Bedürfnis nach Stetigkeit hat noch zugenommen. Schließlich steht Deutschland ökonomisch sehr gut da, während Nachbarstaaten mit dem Bankrott kämpfen.

Merkel verspricht also Sicherheit. Dazu passt, dass sich Vieles in dem Programm, etwa die Angleichung der Mütterrenten, wie eine herzliche Einladung an die SPD liest, während die FDP kein einziges Mal erwähnt wird. Nun ist Sicherheit auf den ersten Blick ein erfolgsversprechendes Motiv für die ängstlichen Deutschen.

Aber ehrlich oder seriös ist Merkels Wohlfühl-Offensive nicht. Denn die Kümmererin im Kanzleramt täuscht nur vor, sich um alle zu sorgen: Arme Menschen interessieren sie nicht. Niedrigverdiener und Hartz IV-Empfänger kommen nicht in den Genuss der Wohltaten, weil sie von Steuersenkungen und Transfers wie einem höheren Kindergeld nicht profitieren.

Bild: Anja Weber
Ulrich Schulte

leitet das Parlamentsbüro der taz.

Merkel kalkuliert kühl wie immer, indem sie gezielt die Mittelschicht und CDU-affine Milieus adressiert. Sie beschenkt Gruppen, die sie wählen sollen, mit Milliarden, obwohl die das Geld nicht brauchen. Und sie nimmt so dem Staat Möglichkeiten, in bessere Kitas oder Schulen zu investieren, wovon Arme profitieren würden.

Selbst gegenüber dem eigenen Klientel ist Merkel unehrlich. Ihre Wohltaten für die Mitte kosten Milliarden, aber die Kanzlerin sagt nicht, woher das Geld kommen soll. Stattdessen flüchtet sie sich in wolkige Phrasen, um zu verschleiern, dass sie ihre Versprechen nur in Minischrittchen umsetzen wird - wenn überhaupt. Aber solche offensichtlichen Widersprüche tangieren die Union nicht. Sie setzt voll auf die beliebte Kanzlerin. Und hofft, dass Merkel das Kleingedruckte überstrahlt, frei nach dem Motto: Ich bin ihr.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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16 Kommentare

 / 
  • V
    vjr

    Vielleicht könnte man alle Gewählten (Parteien) verpflichten zusammenzuarbeiten – kompetent, an der Sache/n und für sie.

     

    Also keine Koali-/Opposition, keine Wahlk®ämpfe je 1 Jahr vor und nach den Wahlen, dazwischen – wenns gut kommt – 2 Jahre Arbeit, dafür gute, kompetente Arbeit die ganzen 4 Jahre durch. Die Parteiprogramme haben sich sowieso schon angenähert, jetzt könn(t)en es die Gewählten auch.

     

    Man könnte auch die Bürger, Leute, ihre Meinungen, ihre Mitentscheide und Mitverantwortung holen, einbeziehen, als gleichberechtigte, mündige Stimmbürger, Stimmleute – siehe Beteiligung, in aller Munde. Und die Dinge offenlegen, da sie allen gemeinsam sind, sein sollen – siehe Transparenz, in aller Munde.

  • R
    Rosa

    @ Chris:

     

    "Das ist ein sehr eingeschränktes Demokratieverständnis wenn nur noch Studierte als Regierungsfähig angesehen werden":

     

    ...Sie meinen vermutlich: nur noch Studierte, die ihr Studium auch beendeten.

    Das ist aber nicht die einzige Möglichkeit zu einer Job-Ausbildung zu kommen.

    Da gibts noch viele Möglichkeiten außerhalb eines Studiums. Z.B. eine Lehre.

     

    So aber entsteht der Eindruck, hier seien verkrachte Existenzen am Start, die nichts anderes gelernt haben als Politik-Geschwafel.

    Solche Partei-Bonzen muß man nicht mögen.

     

    Die haben mit ihrem Wahlversprechen nach Steuererhöhungen noch dazu bewiesen, daß sie sich Lichtjahre von den Wählern entfernt haben.

    Typisch abgehobene Berufs-Politiker-Kaste eben.

  • V
    vic

    CDU-wählen ist heilbar!

    (Gesehen auf Christopher Street Day-Plakat)

  • T
    Totalverzweifler

    neeeeeeeeeiiiiiiiiinnnnnnnnnn!!!!!!! (große Koalition)

  • C
    Chris

    @nachdenklicher Bürger:

    Sie haben leider das wichtigste vergessen:

    - Wer wird auch auf absehbare Zeit ohne nachzudenken die Partei weiterwählen, die ihnen so viele "Zumutungen" aufzwingt? Die Rentner

    - Wer ist schon seit dem dritten Reich ein Garant für min 20 % am CDU-Wahlergebnis? Die Rentner

    - Wer jammert und weigert sich einfach zu begreifen, dass ihre eigenen Kinder später einmal überhaupt nichts haben werden, weil die ganzen Umlagen für die viel wichtigeren heutigen Rentner verbraten werden? Die Rentner

     

    @Rosa:

    Das ist ein sehr eingeschränktes Demokratieverständnis wenn nur noch Studierte als Regierungsfähig angesehen werden, aber sehr typisch für Studierte.

  • H
    Hafize

    "Alles bleibt, wie es ist."

     

    Und die CDU glaubt, dass Alles gut ist.

    Das eigentliche Problem ist doch, dass die SPD diesen Stillstand gar nicht offensiv angreift. Das Wahlprogramm der Grünen ist da schon besser. Die wirklichen Folgen dieser 'Kanzlerin' wird man in einigen Jahren spüren, dann wird das nicht mehr teuer, sondern katastrophal.

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    die unsozialen C-Parteien könnten zB versprechen:

     

    "wir schaffen die C-Parteien ab"

     

    das wäre doch mal was. Tatsächlich könnten die C-Parteien versprechen:

     

    Wir schaffen die

    - Telekom-Steuer,

    - TV-Steuer

    - Regenwasser-Steuer ab,

    das brächte so manchen C-Wähler in ernste Bedrängnis.

  • R
    Rosa

    Ist doch völlig normal, daß vor einer Wahl Versprechungern genacht werden.

     

    Dies kommt an, auch wenn jeder weiß, daß nach der Wahl leider doch kein Geld für die schönen Pläne da ist.

    Man läßt sich gern verschaukeln, weil man weiß wo man dran ist.

     

    Wenn aber Parteien wie SPD und Grüne auf die Wahnsinnsidee kommen,

    dem Wahlvolk keinen Honig ums Maul zu schmieren, sondern Steuererhöhungnen verkünden,

    so grenzt das an Idiotie, und kommt überhaupt nicht gut an.

    Solche "Wahlversprechen" sind politischer Selbstmord.

     

    Außerdem gibt es bei beiden kein fähiges Personal.

    P€€r steht für Lobbyismus, nicht für soziale Gerechtigkeit.

    Beim Grünen Spitzenpersonal handelt es sich um Studienabbrecher (außer Künast),

    die haben nicht mal einen richtigen Job gelernt, in den sie bei Mißerfolg in der Politik zurück könnten.

     

    Wer will sich von solchen Loosern regieren lassen?

  • H
    hto

    In der UNWAHRHEIT, wo alles systemrational nur konfusioniert und multischizophren-gespalten in Überproduktion von Kommunikationsmüll geschieht, da sind UNSERIÖSE Versprechen doch kein Wunder - besonders weil sie sich womöglich leichtfertig VERSPROCHEN hat, bzw. nicht wissen konnte wovon sie spricht :-)

     

    Übrigens ist die große Koalition UN-Wahrscheinlicher, im Sinne der Globalisierung des geistigen Stillstandes und seiner UNDURCHSCHAUBAREN Symptomatiken / Blödheiten ;-)

  • NB
    nachdenklicher Bürger

    24.06.2013 14:49 UHR

    von Celsus:

     

    Antwort bzw. Fragen an Celsus:

    Ich frage mich nur, wie viel Geld wird Eltern noch in den Po geblasen ??

     

    Zur Wahl wie will Frau Merkl es finanzieren was sie so in den Tag hinein verspricht ? Richtig mit Steuererhöhung.

     

    Wen trifft die Steuererhöhung und wird nirgendwo gefördert schon gar nicht im Westen Deutschlands ? Richtig, der Rentner.

     

    Wer wird gezwungen in Armut zu leben und kaum eine Möglichkeit auf staatl. Hilfe ? Rentner !!

     

    Wer muss trotz so wenig Geld Rezept Zuzahlung leisten. Rentner.

     

    Wer muss sich permanent immer schlechter und ärmlicher ernähren, weil alles viel zu teuer wird. Rentner.

     

    Wer muss permanent ans Haus gefesselt leben, weil krank od. gebrechlich und weil mit den noch zugestandenen Renten ein Auto zu halten und somit beweglich sein zu können unmöglich gemacht wurde ? Renter.

     

    Wer kann sich keine Reisen mehr leisten von diesen besch... Renten. Der Rentner.

     

    Wer darf dann nicht mal sein besch..... Leben selbst beenden ? Der Rentner.

     

    Sollen die Rentner, einsam, allein, hungrig, krank nur noch die Berechtigung haben, dasitzen und auf den Tod warten und irgendwann nach Wochen oder Monaten merkt mal einer, das man gestorben ist, weil es durch die Tür stinkt ???????

     

    Warum werden die Rentner West dann auch noch unfair behandelt, weil diese Regierung in der Rentenerhöhung immer Ost gewaltig bevorzugt, obwohl Ost in den Jahren der Mauer keinen einzigen € in den Rententopf gezahlt hat ?

     

    Sind Rentner Deutschlands die unterste Unterschicht in dieser Gesellschaft per Gesetz und Äußerungen ???

  • AN
    Arno Nym

    Tja ... auch wenn das Wahlprogramm von Oma Merkel viel verspricht und wenig hält, so stellt sich die Frage nach den Alternativen:

     

    SPD? Gibt da nen schönes Liedchen "Wer hat uns Verraten? ..." Ausserdem hat die SPD nen Kanzlerkandidaten ins Rennen geschickt bei dem jedem klar sein muss, das sie nicht gewählt werden wollten.

     

    FDP? Das die "Fast Drei Prozent" Partei die 5% Hürde vermutlich nimmt ist in der Tat sehr bedauerlich, aber wer weiß... vielleicht setzt bei manchem FDP Wähler vielleicht doch noch das Erinnerungsvermögen ein.

     

    Die Linke? Stößt mit den Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit ins selbe (tonlose) Horn wie die SPD, und lässt ähnlich der CDU auch finanzierungs-Ideen unerläutert.

     

    Die Piraten? Haben sich leider von einer hoffnungsvollen Jungpartei in einen zerstrittenen Kindergarten zurückentwickelt.

     

    AfD? CDU nur Euro(pa)-feindlich? Yay :-(

     

    Sprich es bleibt alles beim Alten und ich finde keine sinnvolle Interessenvertretung in der deutschen Politik. Lediglich die Wahl zwischen Pest und Cholera

  • H
    hubert

    Mein Enkel meint, bei so viel Gutgläubigkeit wundert er sich nicht mehr , wie mal die Nazis anscheinend ganz

    legal an die Macht gekommen sind.Ich wußte keine Antwort und vermute, im September wird deshalb erstmals eine Mehrheit von der Wahl fernbleiben.

    Bei so viel Betrugschwindel durch den aktuellen Kapitalismus muß man wohl auf seinen Selbstmord hoffen.

    Oder man macht jedermann zum staatstragenden Beamten-

    mit Streikverbot und Pensionsgeld aus der Druckerpresse.

  • A
    anke

    Merkel brauch nicht zu erklären, woher das Geld für ihre Versprechen kommen soll. Die stehen nämlich von Anfang an unter einem gewissen "Vorbehalt", wie man hört. Vorausgesetzt, das Geld ist da, wird es auch verteilt werden. Wenn nicht, dann nicht.

     

    Die Optimisten unter den CDU-Wählern werden sich nun sagen: "Schaden kann's ja nicht." Sie dürfen im Herbst auf ihre Kanzlerin spekulieren wie andere auf Aktien oder Immobilien. Wenn's gut geht, haben sie künftig etwas mehr in der Hand als jetzt schon. Wenn nicht, mussten sie sich wenigstens nicht vor der Angst fürchten. Ändern, schließlich, wollen sie ja doch nichts. Sie wollen geführt werden. Mutti wird schon wissen, was sie tut.

     

    Seltsam, genau diese Vermutung macht mir Angst...

  • V
    vic

    Merkels Programm heißt Merkel. Und der Hammer dabei ist: Den meisten Wählern genügt das.

  • C
    Celsus

    Vorab: ICh bin kein Anhänger der CDU.

     

    Aber warum sollen denn die Versprechen unseriös sein? Bitte beachten Sie doch mal, dass es mit der Harmonisierung der Mehrwwertsteuer und der Agenda 2020 gleich zwei Projekte gibt, durch die anschließend massiv mehr Geld zur Verfügung stehen soll. Die Mehrwertsteuer alleine bringt ca 45 % des Gesamtsteueraufkommens! Die Einnahmeexplosion zu Lasten kleiner Taschen wird enorm sein, wenn Lebensmittel und andere Güter mit verringertem Steuersatz auf einmal mit ganzen 19 % besteuert werden.

     

    Und die beiden Projekte stehen sowohl auf der Agenda der CDU als auch der SPD.

     

    Unseriös sind die Versprechen allenfalls, weil in die eine Tasche meinetwegen 35 € mehr Kindergeld kommen und aus der anderen allein über Mehrwertsteuer locker 100 € wieder rausgenommen werden.

  • S
    Sören

    Die Politik orientiert sich immer sehr an der Mittelschicht, was nachvollziehbar ist, weil zu ihr die meisten Wähler gehören. Außerdem stammen auch die meisten Politiker aus der Mittelschicht, und nehmen dadurch instinktiv deren Perspektive ein.

     

    Es ist absolut falsch, dass die Union in der Familienpolitik auf die alten Rezepte setzt, obwohl der Bericht zu den familienpolitischen Leistungen gerade erst gesagt hat, dass diese nicht besonders gut funktionieren. Die nächste Regierung sollte diesen Bericht als Grundlage für eine umfassende Neuorientierung in der Familienpolitik nutzen.

     

    Der entscheidende Pluspunkt des Programms ist (aus Sicht der Kanzlerin), dass man damit praktisch jede Koalition eingehen kann. Für die FDP bietet sich nun die Chance, sich als "maßvollere" Alternative dem bürgerlichen Lager anzubieten. Der Sprung über die 5%-Hürde ist wohl auch gesichert. Am schwersten wird es für die SPD, weil ihre Kampagne, die auf soziale Gerechtigkeit setzt, ins Leere läuft.