Kommentar zu Künast: Berliner wollen oben bleiben
Vor einem Jahr scholten die hiesigen Grünen Künast noch für ihren Wahlkampf. Jetzt nicht mehr - weil ihnen Machterhalt wichtiger ist.
Das Publikum reibt sich verwundert die Augen: Die Berliner Grünen stehen hinter Renate Künast als Spitzenkandidatin stramm? Moment mal, da war doch was … Richtig: Künast hat die Abgeordnetenhauswahl im vergangenen Herbst versemmelt. Die Grünen, die anfangs von einer Regierenden Bürgermeisterin träumten, wurden nur drittstärkste Kraft. Und ebenjene Frau, die für das Schlamassel maßgeblich verantwortlich zeichnet, soll nun Zugpferd bei der Bundestagswahl werden?
Viel wurde Künast nach der Schlappe 2011 vorgeworfen: Ihr Team habe nicht genug mit dem Rest der Partei kommuniziert. Ihr fehle das Charisma. Sie habe kein Händchen für den Umgang mit Bürgern. All das kann nicht wirklich der Grund sein, sie nun zur Kandidatin für eine noch wichtigere Wahl zu machen. Woher also die neue Solidarität?
Sicher, Künast ist durch die Kreisverbände getourt und hat Buße getan. Doch schwerer wiegt die Angst der Berliner, in der Bundespartei an Gewicht zu verlieren. Für Künast wird die Urabstimmung über ihr politisches Schicksal entscheiden. Schneidet sie halbwegs gut ab, ist der verheerende Eindruck der Berlin-Niederlage wettgemacht. Schneidet sie schlecht ab, wäre sie als Fraktionschefin im Bundestag beschädigt und auf Dauer nicht mehr zu halten.
Ein Abgang Künasts würde aber auch die Stellung der Berliner Grünen in der Partei schwächen. Wer käme nach Künast? Der hiesige Landesverband hat kein Abo auf einen Job an der Partei- oder Fraktionsspitze – und will sich deshalb mit Künast den Einfluss sichern.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung